Vorab-Fahrbericht BMW 128ti: Frontantrieb mit Ausrufezeichen

BMW 1er, Fahrberichte | 16.09.2020 von 7

Einen Kompaktsportler mit Frontantrieb sucht man bei BMW schon aus Tradition vergeblich – bis jetzt. Denn der neue BMW 128ti betritt mit 265 PS zum ersten Mal den bunten Spielplatz der Hot Hatches. Lässt sich sportliche Freude am Fahren auch mit den Vorderrädern übertragen? Drei schnelle Runden auf der Nürburgring Nordschleife liefern die Antwort.

Die Grüne Hölle strahlt ganz golden im Licht der Septembersonne – und Jos van As, Vice President Driving Dynamics bei BMW, tut es ihr gleich. Vergnügt steigt der oberste Kurator kurvenbezogener Fahrfreude in seinen BMW M2 und führt uns hinein in die Welt der Kurven, Kerbs und G-Kräfte. Wir folgen im leicht getarnten Versuchsfahrzeug, das ab November als BMW 128ti in Serie gehen soll. Vollgas, gleich hinter der Einfahrt an der Döttinger Höhe. Nach zwei Oktaven Vierzylindersound verfliegt die Schläfrigkeit des Spätsommertages, im Head-up-Display fällt nach angegebenen 6,2 Sekunden Tempo 100. Kurz später lässt Jos den als Pacecar genutzten M2 durch die erste Kurvenkombination tanzen. Wir bleiben dran.

Exklusive Tracktime auf der Nürburgring Nordschleife – das ist selbst für einen BMW Fahrtermin ungewöhnlich. Der Ausflug ins fahrdynamische Herz der Autowelt hat allerdings einen guten Grund, denn zwischen xDrive und Hinterradantrieb gibt es einen Ruf zu verlieren. Immerhin startet der neue BMW 128ti erstmals in einer Fahrzeugklasse, um die die Münchner in den vergangenen Jahrzehnten schon konzeptbedingt einen großen Bogen gemacht haben: Hot Hatches vom Schlage eines Golf GTI oder Hyundai i30 N, die Alltagstauglichkeit und unkomplizierten Fahrspaß mit Frontantrieb verbinden. Dass BMW dazu auch noch das berühmte Kürzel ti für „Turismo Internazionale“ in den Ring wirft, dürfte die Erwartungen nur noch weiter steigern – und bei manchem Markenfan gewiss für obligatorischen Unmut sorgen. Der BMW 128ti muss also passen, und zwar auf Anhieb.

Anspannung oder gar Nervosität ist den Fahrwerksentwicklern allerdings nicht anzumerken, als wir uns ein paar Stunden zuvor im BMW M Testcenter Nürburg zum ersten Gespräch einfinden. Ganz im Gegenteil. Project Manager Driving Dynamics Andreas Stumm erklärt in der Werkstatt das Konzept des neuen Kompaktsportlers: „Wir wollten das Auto möglichst fahraktiv machen und eine Basis schaffen, die in der Grundbalance noch neutraler ist als der bestehende 1er. Das Ziel war nicht, ein Rennauto hinzustellen, mit dem man ausschließlich auf dem Ring die schnellste Runde fährt. Sondern wir wollten ein Auto bauen, das auf der Landstraße Spaß macht, das ein direktes Feedback gibt und mit dem der Fahrer spielen kann.“

Bedeutet konkret: Eigens abgestimmte M Sport Federn mit 10 mm Tieferlegung, eine überarbeitete Elastokinematik an der Vorderachse, ein neuer Achsträger hinten, eine speziell applizierte Lenkung mit etwas indirekterer Übersetzung als beim M135i xDrive, die aus dem M Performance Modell bekannte mechanische Torsen Differenzialsperre an der Vorderachse mit leicht auf 31 % reduziertem Sperrgrad, angepasste BMW Performance Control, weiterentwickelte ARB-Technologie (aktornahe Radschlupfbegrenzung), serienmäßige M Sport Bremsen und ohne Aufpreis wählbare Michelin Pilot Sport 4* Sportreifen. Der BMW 128ti ist also weitaus mehr als nur eine stärkere Motorisierung mit großem Namen.

BMW 128ti F40: Mit 265 PS über die Nordschleife

Es wird ernst auf dem Ring. Bremskurve Hohenrain. Jos vorweg, wir hinterher. Kurz flackert die Erinnerung an die Worte von Andreas Stumm aus der Präsentation auf: „Der Fahrer soll spüren, wenn das Auto an die physikalischen Grenzen kommt. Wir wollen bewusst nicht alles wegregeln. Du kannst über den Gas-Input selbst wählen, wie stark du das Auto forderst.“ Dann übernimmt das überwältigende Hin und Her der G-Kräfte. Hatzenbach, Hocheichen – anbremsen, einlenken, Vollgas im schnellen Wechsel. Schon nach kurzer Zeit wächst unweigerlich das Vertrauen. Standfest und fein dosierbar vernichtet die M Sport Bremse überschüssige Bewegungsenergie. Derweil zieht die Sperre den BMW 128ti wie auf Schienen in die Kurven, ohne so brachial und schnörkellos wie der große M Performance Bruder zu wirken.

Der Neue unter den Hot Hatches versteht sich als final abgestimmtes Gesamtpaket. Adaptive Dämpfer wollen die Entwickler nicht anbieten, ebenso wenig ein manuelles Schaltgetriebe. Stattdessen erledigt die bekannte Achtgang-Steptronic einen gewohnt hervorragenden Job in Kombination mit dem drehfreudigen 2,0-Liter-Vierzylinder B48. Maximal 265 PS und 400 Nm Drehmoment zwischen 1.750 und 4.500 U/min beschleunigen den BMW 128ti in 6,2 Sekunden auf Temp 100. Die Höchstgeschwindigkeit dürfte nach einem schnellen Blick auf den Tacho an der Döttinger Höhe bei gut 250 km/h liegen.

Eine Option sollte man in der Preisliste allerdings auf keinen Fall vergessen: die Sportreifen. Besonders hier auf der Nordschleife sorgen die 18″ Michelin Pilot Sport 4 in Kombination mit ARB und Co. für ein beeindruckendes Gripniveau. Ohnehin passt der BMW 128ti zum Nürburgring – und zu allen, die sich für die Wochenendbeschäftigung kein aggressives Tracktool vor die Garage stellen möchten. Statt brettharter Kompromiss-Dämpfung gibt es ordentlichen Alltagskomfort und obendrein ein Fahrverhalten, das bei aller Liebe zur Querdynamik auch im oberen Grenzbereich die Ruhe bewahrt – denn der Ring verzeiht nicht gerne.

Knappe Auslaufzonen, überraschend enge Mutkurven und die geradezu grotesken Höhenunterschiede fordern maximale Aufmerksamkeit. Jos legt noch eine Schippe drauf, eilt in seinem M2 federleicht und mit der Routine hunderter Runden voran. Einen Augenblick nur schweifen unsere Gedanken ab. Wir verpassen den nächsten Bremspunkt minimal, fahren die Kurve ein bisschen weiter außen an – der BMW 128ti überspielt den Faux-Pas routiniert mit einem knappen Bremseingriff.

Gut 80 Kilo spart der gut 1.520 kg schwere Kompaktsportler im Vergleich mit dem M135i mit xDrive, wirkt angenehm leichtfüßig und wach. Die neu abgestimmte Lenkung arbeitet dazu präzise, ohne eine übertriebene Hektik an den Tag zu legen. Als wir zum dritten Mal die Döttinger Höhe passieren und zu einer kurzen Abkühlungsrunde auf die Landstraße abbiegen, sammeln wir unsere Gedanken. “Freude am Fahren”, das war im Sportwagenbereich auch für uns bislang untrennbar mit eleganten Heckschwenks und engagiertem Gegenlenken verbunden. Lässt sich dieses emotionale, über Jahrzehnte ausgefeilte Konzept also ohne Weiteres auf ein Fahrzeug mit reinem Vorderradantrieb übertragen?

Die Entwickler bieten für diese anspruchsvolle Herausforderung eine überzeugende Lösung an. Der neue BMW 128ti schafft eine fein abgestimmte Balance zwischen Alltagskomfort und Sportlichkeit. Er fährt präzise und dynamisch, unterstützt den Fahrer beim Austesten des Grenzbereichs und erhält sich dabei ein charmantes, natürliches Wesen. Allein schon die Vielzahl an Änderungen in den Bereichen Fahrwerk und Fahrdynamik macht deutlich, dass BMW den Einstieg in das neue Segment ernst nimmt. Und so erfüllt der BMW 128ti genau das, was man von einem Hot Hatch aus München erwarten darf: Frontantrieb mit Ausrufezeichen!

Text: Jonas Eling
Fotos: Bernhard Limberger für BMW

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