Fahrbericht BMW M6 Gran Coupé F06: Ein Monster mit Manieren

BMW M6, Fahrberichte | 19.04.2013 von 34

Der Versuch, ein Auto auf mehreren Hochzeiten tanzen zu lassen, hat schon für so manche Enttäuschung gesorgt. Nicht selten sind entsprechende Fahrzeuge ein rollender Kompromiss, …

Der Versuch, ein Auto auf mehreren Hochzeiten tanzen zu lassen, hat schon für so manche Enttäuschung gesorgt. Nicht selten sind entsprechende Fahrzeuge ein rollender Kompromiss, der weder in der einen noch in der anderen Disziplin wirklich überzeugen kann. Dieser Problematik war man sich selbstverständlich auch bei der BMW M GmbH bewusst und hat dennoch den Versuch gewagt, die nicht immer harmonierenden Welten von luxuriöser Eleganz und harter Sportlichkeit unter einen Hut zu bringen.

Genau dieser “Hut” steht stellvertretend dafür, was das BMW M6 Gran Coupé sein möchte: Das Carbon-Dach sieht von außen nicht nur gut aus, es senkt auch den Schwerpunkt und das Gesamtgewicht ein wenig ab. Im Inneren zeigt das scheinbar vor allem dynamischen Aspekten gewidmete Leichtbau-Dach jedoch sein zweites Gesicht: Dunkles Alcantara und eine farblich abgesetzte Mittelbahn aus Leder greifen die äußere Kontur des Dachs auf und schaffen die einem Luxus-Coupé mit sechsstelligem Grundpreis angemessene Atmosphäre.

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Auch sonst kann sich der Innenraum der sportlichsten viertürigen BMW 6er-Variante mehr als nur sehen lassen. Die Bicolor-Lederausstattung mit farblich abgesetzten Kontrastnähten lässt weder in Sachen Materialwahl noch bei der Verarbeitung Raum für Kritik, die von geschwungenen Formen unterstrichene Fahrerorientierung der aktuellen 6er-Generation erledigt gemeinsam mit den bequemen und zugleich genügend Seitenhalt bietenden Sportsitzen den Rest.

Was dem Fahrer dann angesichts der im Hinterkopf schwirrenden Zahlen – 4,4 Liter Hubraum, 560 PS, 680 Newtonmeter Drehmoment – schwerfällt, gelingt dem M6 Gran Coupé mühelos: Auch beim Druck auf den Startknopf bewahrt das Luxus-Coupé die Contenance. Der Sound des V8-Biturbo dringt ebenso unüberhörbar wie unaufdringlich an die Ohren der Insassen und deutet mit einem voluminös klingenden Bariton dezent an, was für ein Kraftpaket soeben zum Leben erweckt wurde.

Belässt man es nun bei den zum Motorstart gewählten Einstellungen, unterscheidet sich das BMW M6 Gran Coupé kaum von den zivilieren Varianten aus München. Auffällig ist die betont ruhige Art, mit der das 560 PS starke Coupé in diesem Modus über die Straßen gleitet – keine Spur von übertriebener Härte oder ultradirekter Lenkung, stattdessen fährt man offenbar einen sanftmütigen Gran Tourismo, der sich hervorragend für die Langstrecke eignet.

Die Dinge ändern sich allerdings spürbar, wenn man die Knöpfe auf der Mittelkonsole zu nutzen weiß: Aus kaum spürbaren Gangwechseln werden im schärfsten Modus des DKG Zugkraftunterbrechungen, die gerade lang genug andauern, um den Fahrer über den erfolgten Gangwechsel zu informieren, das Gaspedal spricht deutlich direkter an und schickt schon bei weniger Druck spürbar mehr Kraft an die Hinterräder, die Dynamische Dämpfer-Control bemüht sich um ein klareres Bild vom Straßenzustand, die Lenkung verlangt mehr Bedienkräfte vom Fahrer – und auch das DSC kann auf Knopfdruck zur absoluten Untätigkeit animiert werden.

BMW M6 Gran Coupe

Wer nun noch das Head Up Display in den M-Modus schaltet, wähnt sich plötzlich in einem anderen Auto. Ab etwa 3.500 Umdrehungen pro Minute bringt der Motor seine Kraft auch akustisch dominant zur Geltung, um mit steigenden Drehzahlen immer mehr Sportlichkeit in den weiterhin nicht kreischenden Sound zu mischen.

Trotz der dank Turboaufladung auch im unteren Drehzahlbereich üppigen Kraftreserven animiert der Motor dazu, hohe Drehzahlen zu fahren und sich selbst mit kraftstrotzendem V8-Sound sowie perfekt passenden Schaltvorgängen zu belohnen. Letztere gelingen dank der virtuellen Schaltlichter im HUD problemlos und erlauben das konsequente Ausnutzen des kompletten Drehzahlbands bis zur Marke von 7.200 Umdrehungen pro Minute.

Das optionale M Driver’s Package sorgt nicht nur für eine Anhebung der weiterhin elektronisch limitierten Höchstgeschwindigkeit auf 305 km/h, es schont auch die Nacken der Insassen – anderenfalls würde das BMW M6 Gran Coupé bei 250 km/h schwungvoll gegen eine imaginäre Wand aus Einsen und Nullen fahren. Die Lässigkeit und absolute Selbstverständlichkeit, mit der das über fünf Meter lange Geschoss auch oberhalb von 250 km/h weitermarschiert und schließlich im 5. Gang die 300 knackt, beeindruckt nachhaltig (zum Tacho-Video).

Neben langen Geraden und langgezogenen Kurven beherrscht das M6 Gran Coupé aber auch den Umgang mit Kurven. Zwar lassen sich die rund zwei Tonnen nicht so behende wie ein Kleinwagen um enge Ecken scheuchen – wer aber einen trägen Koloss und reinen Längsdynamiker erwartet, wird schnell eines besseren belehrt. Auf Landstraßen ist vielmehr die schiere Kraft des M6 ein Problem, denn unkonzentrierte Fahrer befinden sich innerhalb von Sekunden in Geschwindigkeitsbereichen, bei denen kein Polizist der Welt noch ein Auge zudrücken kann.

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So bleibt nach einer ausgiebigen Testfahrt auf Landstraßen und Autobahnen rund um München der Eindruck eines tiefenentspannten Hochleistungssportlers, der die totale innere Ruhe gefunden hat. Gibt man die richtigen Kommandos, ist das Monster jederzeit zur Stelle und wartet nur auf die nächste lange Gerade, aber das BMW M6 Gran Coupé eignet sich ebenso problemlos zum entspannten Chauffieren der Schwiegermutter.

Bleibt das Thema Verbrauch – und das kann auch abseits der für manchen M6-Kunden eher weniger dramatischen Kosten-Frage schnell zur Spaßbremse werden. Zwar sind für den Alltag realistische 12 bis 13 Liter gemessen an den Fahrleistungen kein schlechter Wert, bei zügiger Fahrweise mahnt das BMW M6 Gran Coupé aber ungeachtet aller EfficientDynamics-Maßnahmen nach rund 350 Kilometern zur Suche nach der nächstgelegenen Zapfsäule.

Wer das BMW M6 Gran Coupé regelmäßig für Langstrecken-Fahrten auf der Autobahn nutzen möchte und den 560 Pferden dabei freien Auslauf gönnt, kann mit Kenntnis der diversen Bonus-Systeme unserer Tankstellen-Landschaft in kurzer Zeit so manches “wertvolle” Geschenk abstauben. Wenn sich der Fahrer nicht unter Kontrolle hat, frisst das BMW M6 Gran Coupé neben vielen Litern Kraftstoff auch Führerscheine zum Frühstück, aber eine große Portion Selbstdisziplin ist bei allen Fahrzeugen dieser Leistungsklasse ohnehin unabdingbar.

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