BMW Active Tourer: Interview mit Exterieur-Designer Michael De Bono

BMW 2er | 31.10.2012 von 6

Das Highlight auf dem Stand von BMW beim Pariser Salon 2012 war ohne Frage das Active Tourer Concept. Die Vorschau auf den ab Mitte 2014 …

Das Highlight auf dem Stand von BMW beim Pariser Salon 2012 war ohne Frage das Active Tourer Concept. Die Vorschau auf den ab Mitte 2014 erhältlichen Fronttriebler war dabei für die meisten Besucher eine positive Überraschung, denn der praktische Kompaktklasse-Vertreter gibt auch in natura eine gute Figur ab. Maßgeblich verantwortlich dafür ist der Exterieur-Designer Michael De Bono, der auch schon den BMW 3er Touring F31 gezeichnet hat.

In Paris nahm sich der Designer die Zeit für drei Interviews, in denen er Einblicke in verschiedene Aspekte seiner Arbeit gewährt. Bei AutoKarma.de können seine Gedanken rund um den BMW 3er Touring F31 nachgelesen werden, bei rad-ab.com spricht er über die alltägliche Arbeit eines Automobil-Designers und im ParisMotorShow-Blog dreht sich alles um das BMW Active Tourer Concept. Welche Ideen und Ansätze bei der seriennahen Vorschau auf den 1er-Ableger mit der internen Bezeichnung F45 eine Rolle spielten, könnt ihr nun dank der freundlichen Unterstützung des ParisMotorShow-Blog auch bei uns nachlesen:

Herr De Bono, bevor Sie den BMW Concept Active Tourer entworfen haben, waren Sie für den BMW 3er Touring zuständig. Worin unterscheidet sich die Arbeit an einem Serienmodell wie dem BMW 3er Touring von der an einer, wenn auch seriennahen, Studie wie dem BMW Concept Active Tourer?
Wenn man ein Concept Car gestaltet, hat man natürlich viel mehr Freiheiten.
Man kann einen Schritt zurückgehen und wirklich alles neu bewerten. Man schafft im Grunde ein neues Gesamtkunstwerk. Bei einem Concept-Auto sind keine Kostengrenzen oder dergleichen vorhanden. Natürlich haben wir unsere Ziele – wo wollen wir hin, was können wir transportieren -, von denen wir annehmen, dass sie in Zukunft interessant werden. Aber generell sind die Grenzen natürlich weiter gefasst.

Man muss also weniger auf Details achten?
Nein, aber man kann sich ohne zu enge Grenzen auf das Neue konzentrieren.
Nehmen wir den BMW 3er Touring. Der ist eine Erfolgsgeschichte für BMW. Wir wissen, wie wir diesen bauen und einen Nachfolger zu machen ist auf der einen Seite vielleicht leichter, weil man zurück schauen kann und sehen kann, was war, und was gut ist. Dann kann man dies verfeinern, weiter entwickeln und verbessern. Das ist eine Evolution.
Beim Active Tourer und dem Frontantrieb hingegen war alles offen.

Worauf lag der Fokus beim Design des BMW Concept Active Tourer?
Nun, wir mussten hier den richtigen Charakter finden, die richtige Stimmung.
Uns war vom Start an klar: Wir wollen ein urbanes Auto, und Urbanisierung passiert, sie wird sogar immer stärker. Menschen ziehen zunehmend in die Städte und das Leben dort ist lebendiger als vielleicht noch vor zehn Jahren, als die Menschen eher nach außen gezogen sind.
Jetzt lebt und arbeitet man in der Stadt. Wir brauchen also ein Auto, welches diesen Wandel mitmacht – das emotional ist, sportlich und dynamisch. Das aber eben trotzdem Funktionalität anbietet und Platzeffizienz.
Daher dachten wir, jetzt wäre der Zeitpunkt einfach gekommen ein Auto mit Frontantrieb zu zeigen. Bei diesem können wir viele Vorteile nutzen. Weil der Motor quer eingebaut wird, haben wir mehr Raum und können eine neue Art von Dynamik und Agilität erschaffen.

Das Fahrzeug ist sehr kompakt. Normalerweise sieht man in diesem Segment wenig Spielraum für Design. Wie gelang es, dem Active Tourer trotzdem die für BMW typische Erscheinung zu geben?
Nun, wir haben eine andere, neue Interpretation von dem, was BMW ist, geschaffen. Der Concept Active Tourer hat typische Merkmale, wie die kurzen Überhänge, ist eine fließende Form. Auf der anderen Seite haben wir aber die nach vorn gerichtete Form. Die stark geneigte C-Säule ist wie ein Sprinter im Starterblock nach vorn geneigt.
Es ist anders als beispielsweise der BMW 6er, wo alles sehr lang gezogen und sehr niedrig ist. Beim Active Tourer mussten wir viel muskulöser und athletischer  sein – viel mehr mit „Muskeln“ und Flächen arbeiten.
Für uns hat jeder BMW eine Seele, einen eigenen Charakter. Und doch muss er als Teil einer Familie erkennbar sein. Der Active Tourer vermittelt ein kleineres, kompakteres Gefühl – aber er passt in seine Umgebung. In die engen Straßen einer Stadt. Das ist etwas anderes als auf der Autobahn zu Hause zu sein, die sehr lang und gerade ist, auf der mit hoher Geschwindigkeit gefahren wird. In der Stadt ist es mehr die Beschleunigung, die schnelle Reaktion, die vermittelt werden soll.
Daneben steht natürlich der EfficientDynamics-Gedanke beim Active Tourer stark im Vordergrund. Das war ein wichtiger Teil des ganzen Designs.

Der Active Tourer ist ein Concept, das man von BMW nicht kennt. Und Sie haben bereits ausgeführt, dass es eine Herausforderung war. Worin lag die genau?
Ein Auto zu schaffen, dass so dynamisch wirkte und ist, und dabei so viel Platz bietet. Ich wollte eine Sportlichkeit ausdrücken, mit allem, was sie verkörpert. Trotzdem muss natürlich der Premium-Gedanke sichtbar sein, was wir durch Anmutung von Exterieur und Interieur verwirklicht haben. Man soll das feine Gefühl von Eleganz haben, durch Ausstattung und Linien. Das Zusammenspiel aus Dynamik, Eleganz und Platz war sicherlich die große Herausforderung. Aber ich bin zufrieden und finde es sehr gelungen.
Ich bin Exterieur-Designer, aber mein Kollege Max Rathmann hat beim Interieur einen super Job gemacht. Wenn man die Türen öffnet, hat man diesen Wow-Effekt. Das Gefühl vor etwas neuem, spannenden zu stehen – das ist Max wirklich gelungen! Ich bekomme dabei immer wieder wirklich Gänsehaut. Wenn man hinter dem Lenkrad sitzt ist es sehr sportlich, aber man hat viel Raum und Helligkeit.

… dieses Gefühl kennt man von BMW so nicht, die Mittelkonsole dominiert in allen Modellen und gibt eher ein Gefühl von „eingehüllt sein“.
Richtig. Hier haben wir aber alles sehr offen. Der Beifahrer ist hier nicht ausgeschlossen, man sitzt gemeinsam im Auto. Wir haben keinen Mitteltunnel, sondern das Rail-System zwischen den Sitzen. Das ist eine neue Art, Flexibilität und Interaktion mit in das Auto einzubringen. Durch das System ist es für jeden möglich, selber Dinge einzubringen und zu bedienen. Das ist ein neues, gemeinsames Erlebnis.
Der Active Tourer hat einen anderen Charakter als bisherige Modelle. Er reflektiert einen neuen Lebensstil. Es ist wichtig, dass wir weg von Ebenen kommen – mit dem Active Tourer muss man auf Nichts verzichten. Obwohl  das Auto sehr kurz ist, weißt es viel Platz und viele Neuigkeiten auf.

Das Fahrzeug weißt viele Details auf, die man vielleicht sogar auf den zweiten oder dritten Blick sieht. Was ist ihr Lieblings-Detail?
Das ist schwierig. Ich bin Vater – das Auto ist mein Baby!
Es ist schwer zu sagen, dieses Teil gefällt mir besser als jenes. Aber … [überlegt] … ich pendle immer zwischen den Proportionen, die sehr neu sind. Als kleines Detail?
Die BMW-Niere. Weil sie das Symbol für die ganze Einstellung ist, mit der wir an dieses Auto gegangen sind. Die Niere ist ein aktives aerodynamisches Element. Es hat eine Luftklappen-Steuerung. Das bedeutet, die Stäbe sind aktiv und können sich schließen und öffnen. Aber selbst wenn sie geschlossen sind, ist die Niere sehr wertig.
Erreicht haben wir das durch das Einsetzten von Kristallglasstäben. Dadurch hat man Lichtflächen in der Anmutung – man kann durch die Stäbe schauen und sehr viel Tiefe sehen. Das zeigt Funktion und viel Wertigkeit.
So gesehen ist es die klassische BMW-Niere neu interpretiert.
Mit sehr großer Materialität und ich finde, es zeigt den ganzen Fokus für das Auto schon sehr gut.
Natürlich haben wir auch Elemente, wie die Räder, die Leichtbau sind, oder andere Teile, welche die Luftströmung optimieren. Wir versuchen Aerodynamik und Leichtbau zusammen zu bringen um EfficientDynamics nach vorn zu bringen.

Das Feedback auf das Design ist sowohl in der Presse, als auch unter Fans und Besuchern durchweg positiv. Das freut Sie sicher …?
Absolut, das ist toll!
Der Active Tourer ist nicht schüchtern – er zeigt, was er kann, und welche Emotionen er hat. Mich freut es, dass das ankommt und wir werden das jetzt weiter entwickeln. Wir sind in der Concept Phase.

Haben Sie eine eigene Triebkraft für das Design der beiden Fahrzeuge, außer Funktionalität und – allgemein gesprochen – gutes Aussehen zusammen zu bringen?
Für mich als Designer ist es immer Ziel, eine Innovation auf die Straße zu bringen.
Im 3er Touring zum Beispiel, ist es das Detail mit einer Fussbewegung die Heckklappe öffnen zu können. Das hat einen praktischen Wert. Man kann es verwenden, es ist kein Gimmick allein.
Das gleiche gilt für den Active Tourer – der könnte ein Alltagsauto sein. Es ist eine andere Art die Ansprüche zu lösen als wir es beispielsweise beim 3er Touring tun. Aber es ist eine neue, spannende Art.

Wo geht der Weg des BMW Concept Active Tourer hin? Was erwartet ihn und uns als Nächstes?
Es bleibt ein spannendes Projekt. Es gibt da noch immer Details und Elemente … Zum Beispiel die Spiegel: Die haben aktuell zwei Flächen, welche die Luftströmung lenken und  optimieren sollen. Es gibt überall am Fahrzeug solche Elemente, die nicht Schmuck sind, auch wenn es vielleicht auf den ersten Blick so wirkt. Aber wir geben jedem eine Funktion mit.
Harmonie war mir als Element sehr sehr wichtig. Und ich denke, das werden wir bei BMW künftig mehr und mehr sehen. Einiges ist sicherlich eine Evolution der BMW Formensprache, aber es zeigt eben auch einen Schritt, in welche Richtung wir künftig gehen können. Das wir in einer neuen Art und Weise denken und denken können.

BimmerToday dankt dem ParisMotorShow-Blog für die Bereitstellung des Interviews!

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