An der Bedeutung des neuen BMW 8er Coupés kann es keinen Zweifel geben. Die 8 im Namen ist Versprechen und Herausforderung zugleich, sie steht für etwas Besonderes und rückt den neuen 8er nicht nur in die Nähe seines direkten Vorgängers, sondern auch in eine Liga mit Z8 und i8. Und natürlich ist die 8 eine größere Zahl als die 7, was schon für sich genommen ein großes Ausrufezeichen darstellt. Für unseren ersten G15-Fahrbericht waren wir kürzlich in Portugal unterwegs und konnten am Steuer des BMW M850i xDrive einen Eindruck davon gewinnen, wie sich BMW einen 8er für das 21. Jahrhundert vorstellt.
Bereits im Vorfeld war klar, dass der neue BMW 8er G15 ein Wanderer zwischen den Welten sein soll. Kein klassischer Sportwagen, sondern alltagstauglicher und komfortabler. Aber auch kein klassisches Luxus-Coupé, sondern sportlicher und agiler. Mit anderen Worten: Ein luxuriöser Gran Turismo, ein Gentleman-Racer, ein edler Sportler ohne Starallüren im Alltag. Doch lässt sich all das wirklich in einem Fahrzeug unterbringen oder ist das Ergebnis ein Kompromiss, der in keiner Disziplin wirklich überzeugen kann?
Fahrbericht BMW 8er G15: Der Versuch des runden Quadrats
Wer die langen Türen öffnet und sich in den 8er setzt, kann das Coupé zunächst nur schwer einordnen. Rahmenlose Türen, tiefe Sitzposition, zupackende Sitze, klare Fahrerorientierung des Cockpits – wie in einem Sportwagen. Serienmäßig beledertes Armaturenbretts, Live Cockpit mit zwei 12,3-Zoll-Displays, spürbar hochwertige Verarbeitung, geräumiger Kofferraum mit beinahe ebener Ladefläche – wie in einem Gran Turismo.
Was der BMW 8er wirklich kann, wird man allerdings nicht im Stand erfahren. Also Tür zu, Gurt reichen lassen und Abfahrt! Denkste. Denn einen elektronischen Gurtbringer, wie man ihn selbst aus dem 4er kennt, gibt es im 8er weder für Geld noch gute Worte. Also gut, dann eben umdrehen und selbst nach dem Gurt angeln, schließlich geht es hier ums Fahren. Beim Druck auf den Startknopf, der wie im X5 und anderen Modellen nun neben dem Gangwahlhebel auf der Mittelkonsole platziert ist, erwacht der V8 stimmgewaltig zum Leben. Na also, geht doch!
Nach wenigen Sekunden mit tief-bassiger Untermalung tritt der gründlich überarbeitete Achtzylinder akustisch in den Hintergrund. Mit Blick auf den inzwischen unumgänglich gewordenen Otto-Partikelfilter hatten wir uns ohnehin schon auf eine etwas zurückhaltendere Akustik eingestellt, außerdem soll der 8er ja kein waschechter Sportwagen sein. Sondern im Alltag mit Komfort und Langstreckentauglichkeit gefallen. Und wozu hätten die Entwickler dem 8er eine Akustik-Frontscheibe und all die kleinen Aerodynamik-Feinheiten verpassen sollen, wenn man die ausgesperrten Windgeräusche ohnehin mit V8-Sound überlagern wollte? Eben.
Belässt man den 8er im Comfort-Modus, spielt er die Rolle des Gran Turismo zunächst durchaus überzeugend. Auch ohne Luftfederung ist das Fahrwerk schluckfreudig und komfortabel, eine entkoppelte Sänfte ist der M850i aber dennoch nicht. Damit folgt er seiner Bestimmung, schließlich soll er mehr Sportlichkeit und Agilität vermitteln als die reinen Cruiser des Segments, für die schnelle Kurven eher lästige Pflicht als genussvolle Kür sind.
Wer die Stadt verlässt, die kurvigen portugiesischen Landstraßen erblickt und einen Hauch Benzin im Blut hat, will nun unweigerlich in den Sport-Modus wechseln. Der jüngst umgestaltete Fahrerlebnisschalter lässt sich noch nicht blind bedienen, mit etwas Eingewöhnung wird aber auch das gelingen. Sport, Sport Plus, alle Sinne geschärft. Dass der Asphalt noch ein wenig feucht ist, scheint dem M850i zunächst völlig egal zu sein. Der serienmäßige Allradantrieb xDrive jongliert so geschickt mit den 530 PS, dass der Fahrer nur den Eindruck völlig müheloser Beschleunigung erhält.
Der Achtzylinder-Motor spielt sich bei Vollgas im Sport-Modus sofort in den Vordergrund und erinnert mit Nachdruck an die sportlichen Ambitionen der neuen 8er-Reihe. Mit dem Gewicht des Luxus-Coupés hat der spontan am Gas hängende V8 nicht die geringste Mühe, stattdessen sorgt er für rasant größer werdende Zahlen im Head-up-Display. Bollernde Fehlzündungen im Schubbetrieb verwöhnen die Insassen im Sport Plus-Modus. Aufdringlich, brachial oder gar ungehobelt laut wird der Gentleman M850i aber auch dann nicht, wenn man ihn darum bittet.
Erst beim erneuten Blick auf das Head-up-Display bemerkt man, dass man das Instrumenten-Display hinter dem Lenkrad seit Fahrtantritt keines Blickes gewürdigt hat. Seine Anzeigen sind ebenso ungewohnt wie gestochen scharf, die außen platzierten Spangen statt klassischer Rundinstrumente sind dank aktiv hervorgehobener Zahlen schnell ablesbar. Wirklich relevant ist das Tacho-Display aber nicht, denn die beim Fahren benötigten Anzeigen liest man ohnehin im HUD ab.
Wir folgen den Navigations-Hinweisen des noch nicht ganz vertrauten iDrive der neuen Generation ID7 und nähern uns der Rennstrecke von Estoril. Wie schlägt sich der BMW M850i xDrive auf abgesperrter Strecke? Können der vollvariable, aber stets hecklastig arbeitende Allradantrieb, die Allradlenkung und der kräftige Antrieb jene Dynamik generieren, die man sich spontan von einem über 500 PS starken 2+2-Sitzer aus der M Performance Ecke erhofft?
Es wäre definitiv unfair, vom 8er eine ähnliche Weltklasse-Vorstellung wie vom zuletzt in Estoril gefahrenen M5 F90 zu erwarten, schließlich wird für diese Rolle 2019 der erste BMW M8 erscheinen. Aber wie nah kommt der Luxus-Sportler, wenn seine Hightech-Komponenten auf abtrocknender Strecke ans Limit geführt werden? DTM-Pilot Philipp Eng gibt im zweifellos viel kompromissloseren M5 Competition die Pace vor, wir versuchen dran zu bleiben.
Beeindruckend sind dabei zunächst die souveräne Traktion und das lange neutrale Fahrverhalten, das erst bei übertriebenem Einsatz in ein jederzeit gut beherrschbares Untersteuern übergeht. Wildes Übersteuern wird von der vollvariablen xDrive-Kraftverteilung selbst bei provokantem Vollgas am Kurvenausgang erstaunlich effektiv unterbunden, statt zu übersteuern zieht sich der 8er elegant aus der Affäre und macht es seinem Fahrer leicht, schnell zu sein. Ein Gentleman weiß eben, dass er niemals Angst machen oder seine guten Manieren vergessen sollte.
Nach ein paar Runden in Estoril ist die Rolle des neuen BMW 8er Coupé zumindest etwas klarer. Der M850i ist ganz sicher kein kompromissloser Supersportler, der er ohnehin nicht sein will. Auch wenn seine Dynamik einen 7er ebenso klar in den Schatten stellt wie den einen oder anderen Cruiser der Wettbewerber, vermittelt schon das stets auf Restkomfort bedachte Fahrwerkssetup nicht den unbedingten Willen nach maximaler Performance. Klar, der schon angesprochene M8 soll schließlich auch noch einen Auftrag erledigen.
Andererseits will auch auf der Landstraße nicht das ganz große Luxus-Feeling aufkommen, das andere Fahrzeuge dieser Klasse versprühen. Denn egal in welchem Fahrmodus, zur förmlich über Unebenheiten hinwegschwebenden Sänfte wird der 8er nie. Kein Zweifel, eine solche Charakteristik würde auch nicht zu einem BMW passen. Statt sich also eindeutig zwischen knallhartem Sport und kuschelweichem Komfort zu entscheiden, haben sich die Entwickler das Leben ganz bewusst etwas schwerer gemacht.
So spielen der M850i und der neue 8er insgesamt eine Rolle, die für das Modellportfolio von BMW alles andere als untypisch ist: Dynamischer und unterhaltsamer als viele andere, aber gleichzeitig uneingeschränkt alltagstauglich. Dass er dabei aus vielen Perspektiven unverschämt gut aussieht und sich klar vom Rest der Modellpalette abhebt, ist sicher kein Mangel. Die Quadratur des Kreises, also überragende Sportlichkeit bei gleichzeitig überragendem Komfort, ist dabei erwartungsgemäß nicht gelungen.
Das insgesamt etwas bessere BMW-8er-Gesamtpaket könnte vor diesem Hintergrund durchaus der günstigere 840d darstellen: Mit seinem 320 PS starken Biturbo-Diesel hat er genügend Punch für zügige Fahrten über Landstraße und Autobahn, gleichzeitig ist er viel effizienter unterwegs als der V8-bestückte M850i – und rein äußerlich kann man die beiden 8er-Varianten bei entsprechender Konfiguration kaum unterscheiden.