BMW M2 im Fahrbericht: Wenn die Cork Screw Nebensache wird

BMW M2, Fahrberichte | 19.02.2016 von 3

Die Cork Screw ist weltweit einzigartig und lässt den Magen vor Freude hüpfen. Noch beeindruckender als die phänomenale Kurve ist jedoch der neue BMW M2.

Das Warten hat ein Ende, endlich ist der BMW M2 bereit für erste Tests! Wir durften das Garchinger Fahrspaß-Versprechen in Long Beach Blue auf und abseits des Laguna Seca Raceway kennenlernen und dabei überprüfen, ob der Kompaktsportler wirklich so viel Spaß macht, wie er optisch verspricht. Im Vergleich mit dem gewöhnlichen 2er Coupé ist der BMW M2 volle acht Zentimeter breiter, die Kotflügel an Vorder- und Hinterachse sind dementsprechend deutlich ausgestellt und lassen nicht nur beim Blick auf das extrem stämmige Heck keine Zweifel an den Ambitionen des Sportcoupés aufkommen.

Die unbestreitbaren Vorteile für das Design sind allerdings nur ein Nebeneffekt, der eigentliche Hintergrund für die Verbreiterungen liegt in der Fahrwerkstechnik der großen Mittelklasse-Brüder M3 und M4. Diese ließe sich anders nicht im Kompaktklasse-Vertreter unterbringen, ist aber für die Fahrdynamik eines legitimen 1er M Coupé-Nachfolgers zwingend erforderlich. Letzterer ist nicht nur ein Bruder im Geiste, er ist auch eine ständig präsente Herausforderung für die Entwickler gewesen: Wer den Kunden vor fünf Jahren einen solchen Leckerbissen geboten hat, muss beim Nachfolger 2016 nochmals nachlegen und hat dabei eine hohe Hürde zu überspringen.

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BMW M2 F87: Die neue Einstiegsdroge aus Garching

Wie schon beim Vorgänger sorgt ein aufgeladener Reihensechszylinder für den nötigen Druck an der Hinterachse, mit 370 PS stehen nun sogar noch ein paar mehr Pferdestärken zur Verfügung. Das reicht zwar nicht, um sich den Titel des derzeit stärksten Kompaktsportlers zu sichern, aber darum geht es den Entwicklern auch nicht. Nicht nur angesichts von drei Litern Hubraum und sechs Zylindern wäre es für die Techniker der M GmbH keine echte Herausforderung gewesen, noch ein paar zusätzliche PS aus dem Motor herauszukitzeln oder gleich den 431 PS starken S55 aus M3 und M4 zu verbauen – aber durch den offenkundigen Verzicht auf die Leistungskrone wird vielleicht noch etwas deutlicher, dass beim BMW M2 andere Aspekte im Vordergrund stehen.

Außerdem kommt bei 370 PS und bis zu 500 Newtonmeter Drehmoment ohnehin nur selten der Wunsch nach zusätzlicher Leistung auf, weshalb die Ingenieure ihren Schwerpunkt anders gesetzt haben. Der mit zahlreichen S55-Teilen modifizierte N55-Motor kommt mit zusätzlichen Kühlern und einer völlig neu konzipierten Ölversorgung, die auch den extremen Belastungen auf der Rennstrecke gewachsen ist. Auch die Abgasanlage wurde komplett neu entwickelt und bietet einen jederzeit präsenten, aber niemals aufdringlichen Sound. Für unseren Geschmack dürfte ein Fahrzeug mit der Positionierung des BMW M2 durchaus noch einen Tick lauter sein, aber für derartige Wünsche verweist man in Garching auf das M Performance-Zubehör.

Obwohl BMW ganz bewusst kein adaptives Fahrwerk für den M2 anbietet und sich das Setup folglich nicht auf Knopfdruck verändern lässt, ist er kein kompromissloses Tracktool mit kaum vorhandenem Restkomfort. Auf unserer Fahrt über den Highway 1 entlang der Pazifikküste zeigt sich der BMW M2 zwar durchaus straff gefedert, ist dabei aber keineswegs übertrieben hart oder gar poltrig. Auch das auf diesem Abschnitt gefahrene manuelle Getriebe gibt sich nicht als Diva mit Star-Allüren, punktet stattdessen mit exakt definierten Wegen und einem glasklaren Feedback.

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Für alle Puristen bleibt das Kupplungspedal ohnehin ein unverzichtbares Element im Fußraum, weshalb voraussichtlich rund 40 Prozent der M2-Kunden mit Freude auf die etwas schnellere Beschleunigung des optionalen M DKG verzichten werden. Die knackig-kurze Übersetzung des manuellen Getriebes, dem im Vergleich zum DKG der siebte Gang fehlt, sorgt allerdings für ein höheres Drehzahlniveau und gemeinsam mit der an vielen Stellen reduzierten Geräuschdämmung für entsprechend mehr Lautstärke bei hohen Geschwindigkeiten, was den Komfort auf der Autobahn ein wenig schmälern dürfte.

Doch das eigentliche Terrain des BMW M2 Coupé soll nicht der Highway 1 mit seinen eher langgezogenen Kurven und ständigen Tempolimits sein, weshalb wir uns den neuen Kompaktsportler auch auf der Rennstrecke von Laguna Seca zur Brust genommen haben. Der vor allem für die legendäre Cork Screw Corner bekannte Raceway hat in Wahrheit noch viel mehr zu bieten, aber natürlich überragt die weltweit einzigartige Kurvenkombination alle übrigen Elemente der Strecke. Während Timo Glock im Pace Car die Linie vorgibt, nähern wir uns der völlig blind angefahrenen Kurve mit hoher Geschwindigkeit, bremsen ebenso scharf wie wir kurz danach nach links einlenken – im Vertrauen darauf, dass Timo Glock die richtige Linie kennt.

Denn mit eigenen Augen sieht man hier gar nichts, die Strecke fällt unmittelbar nach dem Abbiegen steil ab, lässt den Magen einen kleinen Freudensprung vollführen und verlangt im nächsten Moment einen weiteren Richtungswechsel nach rechts, schließlich muss das Auto in eine optimale Position für die Anfahrt der folgenden Linkskurve gebracht werden. Das neutral abgestimmte Fahrwerk hilft nicht nur in dieser Kurve dabei, den BMW M2 spielerisch in der Spur zu halten: Schon nach wenigen Metern fühlt man sich am Steuer wie zu Hause und kann sich gefahrlos an das Limit herantasten, weil sich der M2 jede fiese Überraschung verkneift.

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Der BMW M2 macht die Cork Screw zur Nebensache

Noch beeindruckender als die Cork Screw selbst ist allerdings die Selbstverständlichkeit, mit der der BMW M2 das anspruchsvolle Terrain meistert. Er zeigt beinahe nebenbei, dass man die Kompaktklasse für den ganz großen Fahrspaß nicht länger verlassen muss und legt die Fahrdynamik-Messlatte im gleichen Atemzug ein gutes Stück höher. Es sind klassische BMW-Tugenden, die seit Jahrzehnten nicht nur in München als Rezept für überzeugende Sportwagen anerkannt sind und nun erneut ihren Weg in die Kompaktklasse gefunden haben. Mit einer nahezu perfekt austarierten Gewichtsverteilung, einer komplett von Antriebseinflüssen befreiten, sehr direkt abgestimmten und in allen wesentlichen Teilen vom BMW M4 übernommenen Lenkung sowie einem gleichermaßen rasant ansprechenden wie drehfreudigen Triebwerk bietet der BMW M2 ein Gesamtpaket, dessen Bestandteile noch lange nichts von ihrem Reiz verloren haben.

Dass der M2 in manchen Situationen etwas weniger Traktion als seine allradgetriebene Konkurrenz bietet, fällt zumindest auf trockenem Untergrund höchstens positiv ins Gewicht. Denn wer ihm diesen Umstand ernsthaft zum Vorwurf macht, hat das Prinzip von Freude am Fahren durch gefühlvolle Arbeit an Lenkrad und Gaspedal einfach noch nicht verstanden. Der BMW M2 begeistert gerade dadurch, dass man ihn am Kurvenausgang entlang der Haftreibungsgrenze seiner Hinterräder balancieren darf und den rechten Fuß dabei oft noch etwas weiter durchdrücken kann als ursprünglich gedacht.

Mit der stumpfen Effizienz eines Allradlers, der selbst grobmotorische Ausfälle am Gaspedal ungerührt wegbügelt und höchstens mit harmlosem Untersteuern bestraft, will der BMW M2 nichts zu tun haben. Stattdessen präsentiert er sich als ehrliche Haut, die in kundiger Hand förmlich aufblüht und den Fahrer mit einer solchen Menge Endorphine belohnt, wie es in dieser Klasse kaum ein anderer vermag. Die speziell auf den BMW M2 abgestimmte Michelin Pilot Super Sport-Bereifung bietet dabei derart viel Grip, dass man immer wieder von der Traktion des Bayern überrascht wird. Auf einen elektronischen Drift-Modus kann der BMW M2 dennoch locker verzichten, denn bei deaktiviertem DSC genügen zackiges Einlenken und ein kräftiger Tritt aufs Gaspedal, um den einzigen Hecktriebler der Kompaktklasse in den Drift zu bringen und die guten Reifen in Rauch aufgehen zu lassen.

Die ebenfalls von den großen Brüdern M3 und M4 übernommene Bremsanlage zeigt sich von den scharfen Bremsmanövern vor den Kurven des Laguna Seca Raceway unbeeindruckt, die von uns auf der Rennstrecke gefahrenen Testwagen waren allerdings mit den Sport-Belägen aus dem Zubehör-Programm ausgestattet. Die serienmäßigen Beläge kommen bei mehreren Runden am Stück an ihre Grenzen, weshalb sich für regelmäßige Besuche auf Nürburgring & Co. die Investition in andere Beläge empfiehlt.

Unterm Strich liefert der BMW M2 F87 bei unserer ersten Ausfahrt sogar noch etwas mehr, als man anhand der exzellenten Gene erwarten durfte. Er eignet sich sowohl für den sportlichen Alltag als auch für die Rennstrecke, bietet auch dank seiner hervorragenden Bereifung enorm viel Traktion und präsentiert sich insgesamt ähnlich ausgeglichen wie ein Boxer nach Monaten intensiver Vorbereitung. Nicht nur den Entwicklern ist klar, dass der Fahrspaß-Titelverteidiger aus Garching auch in der zweiten Runde beste Chancen auf den Sieg hat. Und während mancher Sportler von derartigen Erwartungshaltungen gelähmt wird, scheint der BMW M2 von ihnen geradezu beflügelt zu werden – schließlich darf er selbstbewusst darauf vertrauen, bestens auf alle kommenden Vergleiche vorbereitet zu sein.

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