BMW Dreizylinder-Motoren: Mehr Details im Interview mit Dr. Lopez

News | 18.09.2012 von 36

Im Anschluss an unsere erste Fahrt mit dem neuen BMW Dreizylinder hatten wir die Chance, im Gespräch mit Dr. Bernardo Lopez-Alvaredo etwas detaillierter auf die …

Im Anschluss an unsere erste Fahrt mit dem neuen BMW Dreizylinder hatten wir die Chance, im Gespräch mit Dr. Bernardo Lopez-Alvaredo etwas detaillierter auf die Technik der neuen Motorenfamilie einzugehen. Dabei geht es unter anderem um Fragen wie das vermeintliche Fehlen von Zylinderabschaltung und TwinScroll-Aufladung, den Sound eines Dreizylinders und die Vorteile gegenüber einem Vierzylinder mit ähnlicher Leistung.

Die neue EfficientDynamics-Motorenfamilie der BMW Group wird sowohl bei Modellen mit Frontantrieb als auch bei hinterradgetriebenen Fahrzeugen zum Einsatz kommen, sowohl die Dreizylinder-Diesel als auch die Dreizylinder-Benziner eignen sich für den Längs- und Quer-Einbau.


BimmerToday.de: Herr Lopez, spätestens mit dem heutigen Tag ist klar, dass BMW bei künftigen Modellen auch auf Benzin- und Diesel-Motoren mit drei Zylindern setzen wird. Eingesetzt werden die Motoren erstmals in der nächsten MINI-Generation, welche Einsätze sind noch geplant?
Dr. Lopez: Zu den genauen Anwendungen können wir heute noch keine Angaben machen, außer einer: Im BMW i8 Concept kam ein Dreizylinder-Ottomotor zum Einsatz und auch in der Serie wird der BMW i8 ein Hochleistungsderivat aus unserer neuen Motorenfamilie erhalten. Der für den BMW i8 kommunizierte Marktstart [Anm.: Anfang 2014] gibt auch eine gute Orientierung für den Start der neuen Motorenfamilie.

BimmerToday.de: Downsizing scheint auf der Suche nach weniger Verbrauch das Gebot der Stunde zu sein, auch die meisten Wettbewerber setzen auf kleinere Hubräume und Turbo-Aufladung. Bei BMW wurden zuletzt viele Sechszylinder-Saugmotoren durch aufgeladene Vierzylinder ersetzt, warum geht man nun auch noch den Schritt zum Dreizylinder?
Dr. Lopez: Das hängt mit den sehr unterschiedlichen Fahrzeugen zusammen, die wir innerhalb der BMW Group jeweils mit optimaler Effizienz antreiben wollen. Ganz unabhängig von der Zylinderanzahl haben wir uns überlegt, welchen Hubraum wir für welche Anforderungen benötigen. Wir sind dabei zu dem Schluss gekommen, dass bestimmte Hubräume ideal sind, um bestimmte Leistungs- bzw. Drehmoment-Spannen für bestimmte Gewichtsklassen zu realisieren. Mit einem Spektrum von 1,5 bis 3,0 Liter Hubraum können wir so gut wie alle Anforderungen bedienen.
Nun kommen die Motorenentwickler ins Spiel und sagen, dass 500 Kubikzentimeter das ideale Volumen für einen Einzelzylinder sind. Daraus ergibt sich eine sinnvolle Portionierung von 1,5 Liter Hubraum für Dreizylinder, 2,0 Liter für Vierzylinder, theoretisch 2,5 Liter für Fünfzylinder und die bekannten 3,0 Liter für einen Sechszylinder.
Der Dreizylinder ist also nicht entstanden, weil wir immer weiter downsizen wollen, sondern weil er aus unserer Sicht die ideale Lösung für dieses konkrete Aufgabengebiet darstellt.

BimmerToday.de: Sie haben jetzt schon die 0,5 Liter je Zylinder angesprochen, aber es gibt aktuell auch einen sehr jungen Vierzylinder mit 1,6 Liter Hubraum. Wird dieser Motor künftig durch einen Dreizylinder ersetzt?
Dr. Lopez: Diesen Motor gibt es heute, ja. Zur konkreten Entscheidung, einen 116i oder 118i oder ein anderes Modell zu einem bestimmten Zeitpunkt mit einem Dreizylinder auszurüsten, kann ich Ihnen zu diesem Zeitpunkt noch nichts sagen. Aber wir haben rein technisch die Möglichkeit geschaffen, das zu tun.

BimmerToday.de: Angenommen es käme so – wo genau liegen die Vorteile eines Dreizylinders? Viele Menschen denken bei einem Dreizylinder an eine Sparvariante, die letztlich einen Zylinder weniger bietet, aber nicht weniger kostet…
Dr. Lopez: Wir haben uns diese Frage auch selbst sehr intensiv gestellt und uns auch erst selbst überzeugt. Es geht nicht darum, auf noch mehr zu verzichten, sondern darum, dass die Reduzierung der Zylinderanzahl einige neue Möglichkeiten eröffnet. Das liegt daran, dass der Dreizylinder eine enge Verwandtschaft zum Sechszylinder hat, sowohl bei den Themen Akustik und Schwingungen als auch beim Thema Ansprechverhalten.
Die drei Zylinder eines Dreizylinder-Motors arbeiten so passend zueinander, dass die Abgasströme der einzelnen Zylinder weitgehend voneinander getrennt sind, und so bei einem Lastsprung eine gute Reaktion (techn.: Response) des Motors ermöglichen.

BimmerToday.de: Lässt sich in Zahlen ausdrücken, wie hoch die Verbrauchs-Ersparnis eines Dreizylinders gegenüber einem etwa gleichstarken Vierzylinder ausfällt?
Dr. Lopez: Das wird natürlich auf die verwendete Leistungsstufe und die Einsatzart im Fahrzeug ankommen, aber die Einsparungen werden je nach zu ersetzender Position im Bereich von 5 bis 15 Prozent liegen. Wir werden aber nicht nur zu ersetzende Positionen haben, sondern bedingt durch die Einführung von Modellen mit Frontantrieb künftig auch ein noch größeres Fahrzeugportfolio bedienen müssen. Dafür benötigen wir einfach Motoren, die wir möglichst ohne hochspezifische Anpassungen einsetzen können.

BimmerToday.de: Liegen die neuen Motoren auch beim Gewicht unterhalb der Vierzylinder?
Dr. Lopez: Ja. Auch hier lässt sich eine konkrete Zahl noch schwierig benennen, aber das reduzierte Gewicht wird in jedem Fall zu einer höheren Dynamik beitragen und auch auf diesem Weg für eine Reduzierung des Verbrauchs sorgen.

BimmerToday.de: Das Thema Sound von Dreizylinder-Motoren wird von vielen Menschen kritisch gesehen, weil Dreizylinder bisher vor allem in Kleinwagen mit geringem Anspruch an Laufruhe und Komfort zum Einsatz kamen. Aus dieser Sicht passen solche Motoren nicht zu BMW – was wurde denn getan, um die Kunden bei einer Probefahrt überzeugen zu können?
Dr. Lopez: Der akustisch wahrnehmbare Sound eines Dreizylinders ist relativ ähnlich zu dem eines Sechszylinders. Das liegt daran, dass er genau halb so oft wie ein Sechszylinder zündet und so ähnliche Frequenzen anregt. Er produziert aber auch einige niedrigere Frequenzen, die wir vom Sechszylinder nicht kennen. Während der Sechszylinder bei hohen Drehzahlen höhere Frequenzen liefert, bietet der nur halb so oft zündende Dreizylinder hier niedrigere Frequenzen. Darum muss man sich kümmern, aber dabei geht es nicht um das Vorspielen eines künstlichen Klangbilds. Man muss diese Frequenzen wie bei jedem anderen Motor auch filtern, beispielsweise im Abgasstrang. Bei dem heute gefahrenen 1er mit Dreizylinder kommt eine Abgasanlage zum Einsatz, die den Sound nicht herunterbügelt sondern bewusst wahrnehmbar macht. Das soll zeigen, dass es sich um einen gestaltbaren und sehr sportlich-dynamischen Sound handelt. Die vom Motor produzierten Frequenzen sind hörbar ähnlich wie beim Sechszylinder, was uns viel Spielraum bietet.

BimmerToday.de: Diverse Wettbewerber setzen in jüngerer Vergangenheit auf Zylinderabschaltung, um die Verbrauchswerte weiter zu reduzieren. Selbst bei starken Achtzylinder-Motoren wird die Hälfte der Zylinder abgeschaltet, wenn die Kraft dieser Brennkammern nicht gebraucht wird. Warum hat sich BMW gegen diesen Weg entschieden und setzt stattdessen auf Valvetronic?
Dr. Lopez: Die Valvetronic ist ein System, das im TwinPower-Turbo-Paket zwei Dinge hervorragend kann: Bei kleinerer bis mittlerer Last können wir damit sehr effizient unterwegs sein, weil wir ungedrosselt fahren und die Luftmenge ausschließlich über die Ventilhübe und daher fast verlustfrei steuern können. Außerdem bringt es in Kombination mit dem Turbo auch Dynamikvorteile, weil ich die dank Turbolader erhöhte Luftmenge sehr nahe am Zylindereingang regeln kann, weshalb die zu regelnde Luftsäule relativ klein ausfällt. Wir haben also wesentliche Vorteile in den Bereichen Effizienz und Dynamik.
Die Zylinderabschaltung ist auch ein System, das in bestimmten Bereichen zu einer Steigerung der Effizienz führt, indem ich zeitweise die Hälfte der Zylinder bei höherer Last und daher in einem effizienteren Bereich betreibe. Laut unserer Analysen hat die Zylinderabschaltung aber ein paar entscheidende Nachteile gegenüber der Valvetronic: Zunächst ist der Bereich, in dem ich die Zylinderabschaltung nutzen kann, deutlich eingeschränkt – ich kann sie erst bei späteren Drehzahlen aktivieren und muss sie bei früheren Drehzahlen wieder deaktivieren. Außerdem arbeitet die Zylinderabschaltung vor allem dann sehr gut, wenn Sie mit möglichst konstanter Last unterwegs sind und nicht beschleunigen. Die Valvetronic kann außerdem direkt ab Kaltstart verwendet werden und nicht erst nach dem Erreichen einer bestimmten Motortemperatur. In Summe ist die Valvetronic aus unserer Sicht die deutlich bessere Maßnahme für die breite Anwendung im Alltag.

BimmerToday.de: Gibt es bei der Zylinderabschaltung auch relevante Nachteile in Sachen Akustik und Schwingungsverhalten?
Dr. Lopez: Ja, das Abschalten der Hälfte der Zylinder sorgt für eine höhere Drehungleichförmigkeit, weniger Zylinder arbeiten mit höherem Drehmoment. Diese Veränderung muss ich irgendwie kompensieren, beispielsweise durch aktive Lagerung oder eine künstliche Modifizierung des Sounds. Dazu kommt auch noch, dass wir die Valvetronic in all unseren Motoren unabhängig von der Zylinderzahl einsetzen können. Für die Zylinderabschaltung brauche ich zumindest eine gerade Anzahl von Zylindern und beispielsweise bei einem V6 stellt sich die Frage, ob man eine ganze Bank abschalten möchte. Sie ist also nicht uneingeschränkt in der Breite einsetzbar, wie wir es mit der Valvetronic vorhaben.

BimmerToday.de: Können Sie schon etwas dazu sagen, wieviel Leistung aus den Dreizylinder-Motoren zu holen ist?
Dr. Lopez: Die meisten Motoren werden in einem Bereich von 90 bis 150 kW bei den Benzinern und 60 bis 135 kW bei den Dieseln liegen, Ausnahmen am oberen und unteren Ende dieses Spektrums sind aber durchaus möglich. Der Dreizylinder im BMW i8 wird beispielsweise etwas darüber liegen, aber man kann sich auch Motoren unterhalb dieses Spektrums vorstellen.

BimmerToday.de: Das würde beinahe die kompletten Bedürfnisse der nächsten MINI-Generation abdecken.
Dr. Lopez: Wir haben in der Tat einen Bereich, in dem wir die bisherige Einstiegsmotorisierung heutiger Vierzylinder ersetzen werden. Es wird dann also eine produktstrategische Entscheidung sein, welche Motoren konkret zum Einsatz kommen.

BimmerToday.de: BMW setzt bei fast allen neuen Motoren auf TwinScroll-Aufladung, der Dreizylinder kommt hingegen mit MonoScroll-Aufladung. Wird hier gespart oder wie kommt es zu dieser Tatsache?
Dr. Lopez: Generell schauen wir uns immer den Motor, die Anwendung und die Leistungs- beziehungsweise Drehmomentstufe an, bevor wir uns für den dafür perfekten Turbolader-Typ entscheiden. Beim Diesel haben wir beispielsweise die komplette Bandbreite von einem Turbolader bis hin zu drei Turboladern, mit einstufiger und zweistufiger Aufladung, dazu kommt die variable Turbinengeometrie. Beim Benziner haben wir nicht ganz so viel Variabilität.
Aber zurück zum Dreizylinder: Wir machen die Mehrfach-Turbo-Systeme, egal ob TwinScroll oder mehrere Einzellader, beim Benziner vorwiegend, um die Gasströme der heißen Abgase perfekt in den Turboladerschaufeln nutzen zu können. Beim Vier- und Sechszylinder ergeben sich hier Überlappungen: Während ein Zylinder noch dabei ist, die Abgase aus der Brennkammer herauszubekommen, kommen schon die Abgase des nächsten Zylinders ins Spiel. Diese Abgasströme können sich je nach Betriebspunkt negativ beeinflussen. Diese Situation haben wir beim Dreizylinder nicht, weil die Ladungswechsel dort weiter voneinander getrennt sind.

BimmerToday.de: Der MonoScroll-Lader wird also nicht zu einem schlechteren Ansprechverhalten führen?
Dr. Lopez: Nein, überhaupt nicht. Vom Ladungswechsel her ist es so, dass ein TwinScroll beim Dreizylinder keine weiteren Vorteile bringen würde. Der neue Motor ist in dieser Hinsicht mindestens so gut wie der Vierzylinder mit TwinScroll-Lader.

BimmerToday.de: Auch zwischen Benzin- und Dieselmotoren soll es künftig deutlich mehr Gleichteile geben. Wie ist das möglich und welche Vorteile ergeben sich daraus?
Dr. Lopez: Ganz vereinfacht gesprochen haben sich die Benzinmotoren durch die Aufladung in jüngerer Vergangenheit an die Dieselmotoren angenähert. Wir haben daher ähnliche Elemente wie beispielsweise die Turbolader, die ich natürlich auch mit Blick auf das Gesamt-Packaging gerne an ähnlichen Stellen verbauen möchte, um die Bauräume optimal zu nutzen. Durch die Aufladung wurde auch die spezifische Last bei Benzinmotoren im Vergleich mit Saugmotoren deutlich erhöht, woraus sich ähnliche Bauteilbelastungen wie beim Diesel ergeben. Daher lohnt es sich heute mehr als früher, über gemeinsame Komponenten nachzudenken. Konkret können wir zum Beispiel das Aluguss-Kurbelgehäuse für Dreizylinder-Benziner und Dreizylinder-Diesel in identischer Form verwenden und erst in den weiteren Bearbeitungsschritten spezifisch anpassen. Natürlich gibt es auch einige Teile, die wir nicht bei beiden Bauarten verwenden können, aber wir können ohne Nachteile für den einen oder den anderen Motor einen hohen Kommunalitätsgrad erzielen.

BimmerToday.de: Können Sie schon sagen, an welchen Standorten die neuen Motoren gebaut werden sollen?
Dr. Lopez: Konkrete Entscheidungen hierzu sind noch nicht gefallen, aber es ist das erklärte Ziel, deutlich mehr Flexibilität als bisher zu haben. Wir konnten beispielsweise in der Vergangenheit nicht immer so viele Dieselmotoren bauen, wie der Markt von uns verlangt hat. An den großen Montagelinien sollen künftig sowohl Benziner als auch Diesel gebaut werden können, was uns zusätzliche Optionen bringt.

BimmerToday.de: Können Sie zusammenfassend sagen, welche Gründe für den Dreizylinder gesprochen haben, obwohl bereits sparsame Vierzylinder-Motoren im Regal lagen?
Dr. Lopez: Die Entscheidung für den Dreizylinder ist zunächst nicht als Entscheidung gegen die Vierzylinder zu verstehen. Der Vierzylinder spielt auch weiterhin eine wesentliche Rolle in unserem Motorenportfolio, auch wenn es in einem bestimmten Leistungsbereich Überlappungen mit den Dreizylindern gibt. Welcher Motor dann in einem konkreten Fahrzeug zum Einsatz kommt, wird eine Entscheidung der einzelnen Fahrzeugverantwortlichen sein, wobei stets das gesamte Package betrachtet werden muss. Die kompaktere Bauart eines Dreizylinders macht beispielsweise auch eine Elektrifizierung einfacher, weil er im Motorraum weniger Platz als ein Vierzylinder benötigt. Der Dreizylinder bietet uns insofern einige weitere Möglichkeiten, die wir mit Vierzylindern nicht hätten.

BimmerToday.de: Herr Dr. Lopez, wir danken Ihnen für das Gespräch!

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