Oft gibt es die größten Überraschungen, wenn man am wenigsten mit ihnen rechnet. Ja, unsere erste Fahrt im neuen BMW 320d G20 war in vielen Punkten beeindruckend, aber womit sollte uns der in Portimao Blau Metallic lackierte 330i im Anschluss noch überzeugen können? M Sportfahrwerk und Sportlenkung waren auch im 320d mit Sport Line verbaut, das M Paket würde also vor allem optische Impulse setzen. Und der Turbo-Vierzylinder ist ein alter Bekannter, der seine Motivation an Bord des Vorgängers manchmal etwas zu gut verstecken konnte.
Denn wer an den bisherigen 330i oder 328i zurückdenkt, wird weder beim Gedanken an die Kraftentfaltung bei niedrigen Drehzahlen noch beim Sound unwillkürlich grinsen. Beides war nie wirklich geeignet, um den von Haus aus effizienteren Diesel in Verlegenheit zu bringen. Und auf den ersten Blick nutzt der neue BMW 330i G20 den gleichen Motor, beide tragen das Kürzel B48 und haben etwas mehr als 250 PS.
Fahrbericht BMW 330i 2019: Der wohl überraschendste 3er G20
Aber so kann man sich irren. Denn was der neue BMW 330i G20 auf unserer ersten Fahrt zeigt, ist für uns nicht weniger als die Überraschung des Tages. Schon der Klang des 2,0-Liter-Vierzylinders scheint jede Verwandtschaft mit dem bisherigen Triebwerk leugnen zu wollen: stets unaufdringlich, aber bei Last angenehm präsent spielt der 330i schon bei niedrigen Drehzahlen eine feine Melodie, die man ihm kaum zugetraut hätte.
Ja, neben der Abgasanlage mit Klappensteuerung hilft hierbau auch aktives Sounddesign aus den Lautsprechern. Und wer will, kann den entstehenden Sound durchaus synthetisch finden und sich daran stören, dass der aufgeladene Vierzylinder an Bord des G20 nicht so klingt wie ein 330i E46 mit frei saugendem Reihensechszylinder. Doch abseits nostalgischer Gefühle ist klar, dass man sich in Zeiten von Downsizing und Ottopartikelfilter an etwas andere Klänge gewöhnen muss – und was die Sounddesigner unter diesen erschwerten Bedingungen komponiert haben, verdient tatsächlich Hochachtung.
Auch abgesehen vom unumgänglichen Ottopartikelfilter hat der nun mit bis zu 350 bar einspritzende BMW B48-Motor einige Updates erhalten, die seine Performance unerwartet stark verbessern. Beim Blick ins Datenblatt lassen die versprochenen 258 PS zwar zunächst keinen großen Unterschied zum Vorgänger mit 252 PS erwarten, in der Praxis stellt sich die Situation aber ganz anders dar.
Die subjektiv viel größere Leistungssteigerung liegt nicht nur am auf 400 Newtonmeter angewachsenen und früher bereitstehenden Drehmoment, sondern auch an der dritten Generation der ZF Achtgang-Automatik: Die unteren Gänge sind kürzer übersetzt und auch die Schaltzeiten fallen kürzer als bisher aus. In Verbindung mit dem fülligeren Drehmoment-Verlauf und dem zu den Fahrleistungen passenden Sound ergibt sich ein Antriebsstrang, der endlich wieder dem vielversprechenden Namen 330i gerecht wird.
Neben dem M Sportfahrwerk und der variablen Sportlenkung war unser Testwagen auch mit dem optionalen M Sportdifferenzial ausgerüstet, das für 330i und 330d erhältlich ist und zum Serienumfang des M340i gehört. Die Differenzialsperre arbeitet stufenlos und kann dank elektronischer Steuerung unabhängig von der Fahrsituation geschlossen werden. So kann beispielsweise in einer unter Last gefahrenen Kurve gezielt Kraft an das kurvenäußere Hinterrad geschickt werden, um das Einlenkmoment zu verstärken – das macht die für einen prinzipiell ähnlichen Effekt verantwortlichen, aber Energie vernichtenden Bremseingriffe am kurveninneren Hinterrad überflüssig.
Wer die entsprechenden Kreuzchen in der Preisliste setzt, kann sich den BMW 330i G20 damit ausgesprochen sportlich konfigurieren. Erleben lässt sich die neue 3er-Fahrdynamik in einem fahrerorientierten Cockpit, bei dem der Platz des Fahrers unstrittig die Rolle des wichtigsten Platzes im Auto einnimmt. Die großen Displays für Instrumente und Infotainment befinden sich auf einer Höhe und fühlen sich schnell vertraut an. Wie in den meisten BMWs sorgt das Head-up-Display auch im neuen 3er dafür, dass man den Anzeigen hinter dem Lenkrad kaum Aufmerksamkeit schenkt, weil alle wichtigen Infos ohnehin ins direkte Blickfeld projiziert werden.
Bei der schnellen Fahrt auf den Landstraßen rund um die Rennstrecke von Portimao zeigt sich der Antriebsstrang von seiner besten Seite: Die gelungene Abstimmung von Motor und Automatikgetriebe macht jede Beschleunigung deutlich souveräner als beim Vorgänger. Was auf einer Autobahn-Fahrt kaum ins Gewicht fällt, überzeugt auf der Landstraße und unterstreicht die von Fahrwerk und Chassis getragene Agilisierung des 3ers.
Erstaunlich ist, dass der BMW 330i 2019 auch ohne adaptives Fahrwerk hohen Komfort bietet. Den hubabhängigen Dämpfern gelingt dabei ein erstaunlicher Spagat mit der benötigten Härte in allen Situationen, in denen man sich eine direkte Anbindung wünscht – und mit angenehm-komfortabler Dämpfung bei den kleinen Unebenheiten des Alltags. Das adaptive M Fahrwerk ist daher gewiss keine Pflicht-Ausstattung, aber die Entwickler versprechen nicht nur mehr Komfort, sondern dank einer noch größeren Spreizung auch noch mehr Fahrspaß – und wer will dazu schon nein sagen?