Fahrbericht BMW R 1200 R: Die nackte Versuchung

BMW Motorrad, Fahrberichte | 15.12.2014 von 8

Fahrbericht BMW R 1200 R: Wir betreten Neuland und verlassen den Platz hinter dem Lenkrad – erstmals schwingen wir uns auf ein Motorrad!

Wenn BimmerToday.de die automobile Umgebung verlässt und erstmals ein Motorrad testet, handelt es sich natürlich um eine BMW. Unser neuer Mann für BMW Motorrad-Fahrberichte ist Axel Griesinger, der vielen Lesern bereits von anderen Internetseiten mit Benzin im Blut bekannt sein dürfte. Kürzlich durfte Axel für uns die neue BMW R 1200 R erfahren:

Das neueste Produkt aus den Berliner Motorad Werken ist ein sogenannter Roadster, der zwar auf der Tradition der Boxermotoren aufbaut, aber überraschend mit einigen Konventionen bricht. Also, auf geht’s, aufsatteln, Helm auf, Visier runter, Gang einlegen und durchstarten in ein neues Kapitel BimmerToday.de!

Am Kabel ziehen (Gas geben), abwinkeln (in die Kurve legen), herbrennen (überholen und abhängen) – Motorradsprech ist anders und die technischen Daten erst Recht. Ein Beispiel? 125 PS. Dieser Wert löst bei den meisten unserer Leser nicht einmal einen erhöhten Pulsschlag aus. Im Motorradlager befindet man sich mit dieser Anzahl versammelter Pferdestärken jedoch schon im oberen Drittel der Leistungsgesellschaft. Aber es ist nicht die Leistung alleine, die beim Motorradfahren zählt, sondern ihre Fahrbarkeit und da ist das Konzept des Bayern Boxers weiterhin ganz weit vorne. 1.170 ccm verteilt auf zwei sychron hin- und herstampfenden Töpfen, das hat nicht nur Charakter, sondern auch einen satten Bums von 125 Nm ab 6.500 U/min.

BMW R 1200 R, MY 2015, International Media Launch.
Wer also am am Kabel zieht, wird unverzüglich Druck am Hinterrad ernten. Und wenn man trotz feinfühliger Gasannahme doch die Haftung verliert? Dann hilft das ASC, also die Stabilitätskontrolle, die man namentlich auch so von der vierrädrigen Fraktion aus München kennt. Doch damit hören die gemeinsamen Akronyme mit 1er, 3er, 5er und Co. noch lange nicht auf, denn auch ABS ist bei dieser BMW serienmäßig an Bord und auf Wunsch gibt es sogar DTC. Dieses jedoch nur mit der zweirädrigen Interpretation des Fahrerlebnisschalters, genannt „Fahrmodi Pro“.

Ab Werk kann man nämlich schon ziwschen den Modi „Road“ und „Rain“ wählen, die entsprechend der Reibwerte des Straßenbelages die Gasannahme regulieren. Mit der Sonderausstattung „Fahrmodi Pro“ erhält man dann zusätzlich einen weiteren Modus Namens „Dynamic“. Ist dieser aktiviert, erhält man eine progressivere Gasgriffkennlinie und eben eine dynamisch arbeitende Traktionskontrolle, die dem Lenker mehr Sicherheit beim übermotovierten Aufreissen der Drosselklappen gibt.

Und ja, das Paket aus 231kg unverkleidetem Stahl, Aluminium und Kunststoff motiviert gewaltig. Der erste von Wasser umspülte Boxermotor in der über 90-jährigen BMW Motorrad Geschichte hat es nämlich nicht nur im Bezug auf die Kühlung in sich, denn: eine Ausgleichswelle lässt schon beim ersten Soundcheck im Stand die Fuhre nicht mehr unangenehm zwischen den Schenkeln hin- und herwippen und dass ein Boxer freudig erregt und ohne Mühen bis kurz vor die 8.000er Marke drehen kann und will, ist auch neu. Also auf geht’s zum Abwinkeln ins Hinterland der spanischen Costa Blanca, wohin uns BMW Motorrad eingeladen hat, den neuen Roadster zu testen.

BMW R 1200 R, MY 2015, International Media Launch.

Hier beweist die R 1200 R, dass man auch ohne die sperrige Telelever Gabel, die Jahrelang das Erscheinungsbild aller Boxer BMW prägte, sicher durch die Kurve kommt. Eine Upside-down-Telegabel mit fetten 45 mm Standrohrdurchmesser gibt nicht nur eine deutlich feinere Rückmeldung, sondern sieht speziell mit den optional golden eloxierten Standrohren einfach besser aus. Gierig reisst der Boxer also an und stürmt überraschend behände von Kurve zu Kurve. Und nein, liebe Käfigbürger (aka Autofahrer), normal abwinkelnde Kradler kommen im Alltag nicht in die Verlegenheit, die Zylinderköpfe dieser BMW in maximaler Schräglage abzufeilen. Und dank eines wunderbaren (aber leider auch teuren) Schaltautomaten kann man sich komplett auf das Herbrennen konzentrieren. Mit Hilfe des sogenannten „Schaltassistent Pro“ benötigt man nämlich die linke Hand am Kupplungsgriff nur noch zum Anfahren oder Stoppen. Das übrige Hoch- und Zurückschalten erledigen der linke Fuß und die Elektronik. Speziell beim Runterschalten wird kurz vor dem wieder Einkuppeln so fein das Zwischengas dosiert, dass jedes Anbremsen einer Kurve seinen Schrecken verliert, denn der hintere 180er Reifen zuckt beim Kraftschluß keinen Millimeter.

Wer DTC und Schaltassistent Pro komplett ausreizt, erreicht nach 3,3 Sekunden die 100er Marke und wenn ein paar Sekunden später die sechste Fahrstufe einrastet, stürmt der Roadster je nach eigener Körperhaltung auch deutlich über 200km/h. Aber Achtung: auch in der Welt der Motorräder kommt man bei solchen Leistungsexzessen nicht ungestraft davon. 6,7 Liter pro 100km saugte sich unsere BMW durch die Einspritzanlage für den Spaß in der spanische Bergwelt. Doch jeder Tropfen Super Bleifrei war es Wert, denn:

Die Nackerte (O-Ton Bayern) BMW R 1200 R ist schon ein sehr feines Gerät, denn nach der ikonenartigen RnineT ist dies der zweite Boxer, der den Muff der Biederkeit aus den Boxermotor Baureihen mit Macht bläst. Doch BMW-typisch sind auch die Zweiräder nicht günstig und die Liste der Sonderausstattung lang. Bei 12.800 Euro beginnt der Roadster Spaß, doch mit den erwähnten Goodies strebt der Preis stramm Richtung 15.000 Euro.

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