Das Bücher-Set BMW Behind The Scenes von Steve Saxty erobert gerade die Bücherregale von BMW-Fans in aller Welt. Kein Wunder: Während die meisten Bücher zur Marke für echte Liebhaber der Marke nur selten Neuigkeiten beinhalten, gewähren seine Bücher einen unerwartet tiefen Einblick und erzählen dabei zahlreiche bisher unbekannte Geschichten. Herzstück des Sets ist das einzeln erhältliche Buch BMW by Design, in dem unter anderem erstmals der BMW I16 – die Serienversion des BMW Vision M Next, die nur aufgrund der Corona-Pandemie nicht gebaut wurde – enthüllt wurde.
Wir haben uns mit Steve Saxty zu einem virtuellen Interview getroffen und den Autor gefragt, wie er derart exklusive Einblicke erhalten konnte und welche Geschichten ihn besonders beeindruckt haben. Im Gespräch liefert er einige Hintergründe zur Entstehung der Bücher, die ohne die tatkräftige Unterstüzung von Designchef Adrian van Hooydonk sowie zahlreichen ehemaligen und aktuellen Designern der BMW Group niemals möglich gewesen wären. Demnächst werden wir uns auch die weiteren Bücher seines dreibändigen Sets ansehen und das eine oder andere Highlight daraus vorstellen.
BimmerToday.de: Herr Saxty, ich glaube, dass viele deutsche BMW-Fans Ihren Namen in den letzten Wochen bereits gehört haben, aber für diejenigen, die ihn noch nicht gehört haben: Könnten Sie sich kurz vorstellen und sagen, wer Sie sind und was Sie gemacht haben, bevor Sie Ihre BMW-Bücher geschrieben haben?
Steve Saxty: Natürlich. Ich habe meine gesamte Karriere in der Automobilindustrie verbracht – in der Konstruktion, im Marketing und in der Beratung. Ich habe für vier Automobilhersteller gearbeitet, Ford, Mazda, Porsche und Jaguar, und die globale Markenstrategie für Nissan in deren Werbeagentur geleitet. Ich hatte also das Glück, alles von der Position als Junior-Produktdesigner bei Ford über die Leitung des Landesvertriebs bei Porsche bis hin zur Leitung der Werbung auf Direktorenebene bei Jaguar miterleben zu dürfen. Ich habe Design schon immer geliebt, aber – wie mein verstorbener Freund Peter Horbury sagte: Ich verstehe und spreche die Sprache des Designs perfekt, aber mir fehlt einfach das Talent!
Wann kam Ihnen zum ersten Mal die Idee, über BMW zu schreiben?
Die Idee hatte ich eigentlich gar nicht selbst, das ist etwas anders entstanden. Es war ein verschneiter Sonntagmorgen in New York, wo ich wohne, als das Telefon klingelte. Es war Harm Lagaay, der ehemalige Chefdesigner von Porsche, den ich aus meinen früheren Ford-Büchern kannte. „Ich habe nur 20 Minuten“, sagte er, „weil ich eine Pizza im Ofen habe.“ Harm klingelte nicht wegen Kochtipps, also fragte ich mich, warum er mich anrief. „Ich habe eine Idee für ein Buch“, sagte er. Da wir beide bei Porsche gearbeitet hatten, vermutete ich dass es darum ginge, aber da hatte ich mich völlig geirrt: „Du solltest ein Buch über … BMW-Design schreiben. Ich habe neulich mit Adrian van Hooydonk zu Mittag gegessen, er hat deine Ford-Bücher und ich denke, ihr beide solltet euch unterhalten.“
Also war Adrian Ihr erster Ansprechpartner im Unternehmen und hat Ihnen die Türen geöffnet?
Ja. Harm sagte, ich müsse Adrian einen Brief schreiben – einen Brief!! Da Adrian und ich gleich alt sind, überraschte mich das, also fragte ich einen Freund, der sagte: „Ja, du musst Adrian vorher schreiben, es ist ein deutsches Unternehmen, das ist also alles sehr strukturiert.“ Widerwillig schickte ich Adrian einen Brief und dachte, dass dieser ihn durch den New Yorker Schnee nach München nie erreichen würde. Aber tatsächlich kam er an – und seitdem hat er mich schon oft genug damit aufgezogen. Adrian hat einen Brief zurückgeschrieben, aber er hatte ihn als PDF an eine E-Mail angehangen. Wir hatten ein Teams-Meeting und ich war überrascht, wie schnell wir so gut miteinander klarkamen. Wir waren uns einig, dass ich für dieses Buch völlig freien Zugang bräuchte und es unabhängig von BMW schreiben müsste – nur so kann der Leser das Gefühl haben, dass er eine ungefilterte Geschichte liest.
Beim Lesen Ihrer Bücher wird von Anfang an deutlich, dass Sie in der Folge außergewöhnlichen Zugang zur Arbeit des Designteams erhalten haben. Ihr Buch enthüllt mehrere Concept Cars, die noch nie zuvor gezeigt wurden. Herzlichen Glückwunsch dazu, aber unsere Leser und mich interessiert brennend, wie um alles in der Welt Sie das erreichen konnten?
Vielen Dank – nun, ich muss ehrlich sagen, dass es eine der angenehmsten beruflichen Erfahrungen meines Lebens war. Ich bekam diesen Zugang, weil jeder wusste, dass Adrian das Projekt unterstützte. Es macht mich selbst sprachlos, wie herzlich ich in der Designabteilung aufgenommen wurde – einer Abteilung, die so geheim ist, dass selbst 95 Prozent der BMW-Mitarbeiter keinen Zugang dazu haben. Ohne meine früheren Secret Fords-Bücher wäre mir diese Gelegenheit wohl nie gewährt worden, und diese Bücher kamen nur zustande, weil ich für Ford gearbeitet hatte und dort hohes Vertrauen genoss. Vielleicht hat auch geholfen, dass ich früher einmal mit einer Frau ausgegangen war, die im FIZ arbeitete und als Beraterin an den Anfängen des Rolls-Royce-Projekts arbeitete und darüber nachdachte, was man mit Rover machen sollte. Außerdem fahre ich privat einen BMW, was das Gefühl verstärkte, so etwas wie ein Teil der Familie zu sein und gut zu den BMW-Leuten zu passen.
Viele im Team freuten sich jedenfalls so sehr darüber, dass ein vertrauenswürdiger Außenstehender zu ihnen kam, dass das Ergebnis ein einzigartiger Einblick in das BMW Design ist – deshalb heißt das Set mit drei Büchern BMW Behind The Scenes. Ich saß mit früheren und aktuellen Designern für über 120 Interviews zusammen, habe mir ihre Geschichten angehört und darf nun einige ihrer nie gesehenen Skizzen und Zeichnungen verwenden. Der lustigste Moment war, als ein Ingenieur sagte: „Ich bin seit über 20 Jahren hier und niemand darf mit mir reden. Ich sage nicht einmal meiner Frau, was ich eigentlich hier mache! Ich habe extra Adrian angerufen und ihn gefragt, ob es kein Scherz ist und ob ich wirklich mit Ihnen reden darf.“ Er war so glücklich, seine Arbeit teilen zu dürfen, und ich habe unheimlich viel über die frühen Phasen der Fahrzeugarchitektur-Konstruktion eines modernen BMW gelernt. Ich denke, das ist wichtig, denn obwohl es in dem Buch um Design geht, muss es durch die Technik dahinter unterstützt werden. Für mich war es eine Freude, mit dem Team gleichermaßen über Technik und Design zu sprechen.
Gibt es für Sie ein persönliches Highlight unter den Concept Cars, die im Buch vorgestellt werden?
Es gibt zwei, die wirklich Eindruck hinterlassen haben, denn keines dieser beiden habe ich auf den ersten Blick verstanden. Die ganze Geschichte des BMW Garmisch wird im zweiten Buch der Reihe erzählt, BMW’s Hidden Gems – das ist das Villa d’Este-Auto von vor ein paar Jahren, das eine Reinkarnation eines lange verschollenen Bertone-Showcars aus den 1970er Jahren war. Mir war nicht bewusst, dass BMW Classic im Jahr 2018 zunächst einen BMW 2002 restaurierte und ihn dann zu SuperStile in Turin schickte, um ihn zu zerlegen und als neues Auto wieder aufzubauen – genau wie damals beim Bertone-Original. Die Italiener schlugen die Teile von Hand und bauten ein neues, voll fahrbares Einzelstück. Die meisten Unternehmen würden eine auf die Optik beschränkte Nachbildung bauen lassen, aber dieses Fahrzeug ist eine perfekte Metallnachbildung eines lange verschollenen BMW. Es ist eine erstaunliche Geschichte.
Das andere Auto, das mich umgehauen hat, war der BMW Next 100 – das goldfarbene Konzeptauto, das zur Feier des 100-jährigen Jubiläums von BMW gebaut wurde. Die Designer erzählten mir immer wieder, dass dieses Auto ein unheimlich lebendiges Gefühl habe, aber ich war ein wenig skeptisch. Wenn man aber das Auto sieht und darin sitzt und die hunderten von winzigen Kacheln sieht, die sich wie Haare auf dem Arm bewegen, dann ist das einfach erstaunlich. Er hatte einen so großen Einfluss auf die Zukunft der Neuen-Klasse-Autos, dass er ein überaus wichtiges Fahrzeug ist – und ganz nebenbei war er der teuerste BMW, der je gebaut wurde!
Wie ist es Ihnen gelungen, so viel über den BMW I16 zu erfahren, also die zuvor nie gesehene Serienversion des Vision M Next?
Das war ein lustiger Zufall. Als ich mit Jose Casas über den Vision M Next sprach, erwähnte er, dass es ein Serienauto gebe und es fast fertig sei. Ich war wirklich überrascht, ihn das sagen zu hören, da ich nicht damit gerechnet hatte, dass es so weit kommen würde. Der erste Schritt bestand also darin, Adrian zu fragen, ob ich den I16 einbeziehen und im Buch veröffentlichen könnte. Das Auto ist für die Designer und Ingenieure sehr emotional, aber Adrian stimmte zu – was mich selbst ein wenig überrascht hat. Die ganze Geschichte im Buch, die mir Domagoj Dukec, Jose und sein Ingenieur Fredrik Hutter erzählt haben, ist großartig, da es sich um einen echten Coup im Buch handelt, und es ist großartig, dass Domagoj noch ein paar andere Bilder geteilt hat.
Könnten Sie neben diesen Autos auch noch eine Hintergrundgeschichte nennen, die Sie besonders fasziniert hat?
Ein schöner Moment war das Ende einer langen Reihe von Gesprächen und E-Mails mit Won-kyu Kang. Er ist jetzt Leiter des Advanced Design bei Kia, aber davor war er bei BMW und hat den wunderbaren 3.0 CSL Hommage entworfen. Er erzählte mir, wie er drei Skizzen seines Hommage und des originalen 3.0 CSL zeichnete, auf denen er mit hoher Geschwindigkeit durch die Wüste raste. Das hat zu einem unglaublichen Fotoshooting in Kalifornien geführt, das meiner Meinung nach zur Inspiration für das spätere Serienfahrzeug aus dem Jahr 2023 wurde.
Was nicht in dem Buch steht, ist, dass Won-kyu sagte, er würde Viktor Bar, der auf Grundlage dieses Fotoshootings das Straßenauto 3.0 CSL entworfen hat, gerne gratulieren. Ich habe ihn daraufhin zu unserem E-Mail-Verteiler hinzugefügt und es hat großen Spaß gemacht den beiden dabei zuzusehen, wie sie sich gemeinsam über „ihr“ Auto unterhielten. Zwei Top-Designer, der eine bei BMW und der andere bei Kia, waren einfach begeistert von dem Auto, das sie beide für 50 glückliche Besitzer mitgestaltet hatten.
Da Sie sowohl bei Ford als auch bei BMW tiefe Einblicke in die Designarbeit gewonnen haben, können Sie vielleicht ein paar wesentliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen diesen Unternehmen benennen?
Ich kann nicht sagen, dass ich mit dem aktuellen Designprozess von Ford so vertraut bin wie mit dem bei BMW. Daher ist es vielleicht ein wenig unfair, aber der wichtigste Unterschied ist, dass das Designteam von BMW deutlich größer ist. In den 1980er Jahren kam es nach der Markteinführung des Sierra zu einer großen Abwanderung von Designern von Ford zu BMW. Viele von ihnen kenne ich gut, und alle sagen, dass Ford of Europe damals das beste Designteam der Welt hatte. Als also 1984/85 etwa die Hälfte von ihnen nach München zog, erlebte BMW einen enormen Zustrom an Talenten. Eine Sache, die sie mitbrachten, war ein kommerzieller Blick für die kosteneffiziente Gestaltung von Dingen. Aus ihrer Sicht machten die BMW-Ingenieure damals was sie wollten und erwarteten vom Kunden, dass sie mehr dafür bezahlen würden. Zum Glück kann ich sehen, dass die BMW-Ingenieure heute noch immer sehr gerne schöne Dinge machen und dabei sehr gut mit den Designern zusammenarbeiten – das ist bei vielen anderen Automobilherstellern ganz anders!
Da unsere Leser überwiegend aus dem deutschsprachigen Raum stammen, muss ich noch eine Frage stellen: Gibt es Pläne für eine deutsche Übersetzung Ihrer Bücher, für diejenigen unter uns, die keine dicken Bücher in einer Fremdsprache lesen möchten?
Es gibt in Deutschland eine große Anzahl von Käufern für BMW by Design, daher haben wir auch eine deutschsprachige Version der Website. Ich würde gerne eine deutsche Version des Buchs erstellen, aber das ist ziemlich schwierig, weil die Kosten aufgrund der Übersetzung steigen und man das Buch noch einmal neu gestalten muss, weil die deutsche Sprache etwa 30 Prozent mehr Platz braucht als Englisch. Darüber hinaus müssen sie für einen Markt teuer gelagert werden und die Kosten gehen weiter in die Höhe. Es handelt sich um handgefertigte Bücher von höchster Qualität, deren Herstellung nicht billig ist, weshalb wir sehr vorsichtig mit der Menge sein müssen.
Zweisprachige Bücher sind für mich auch keine Lösung, da man nur halb so viel Platz für den Text hätte und der Leser dadurch nur halb so viel Freude daran hat. Ich kann den deutschen Lesern aber versprechen, dass das von mir verwendete Englisch einfach und klar ist. Gute Texte sollten schließlich immer leicht lesbar sein.
Herr Saxty, vielen Dank für die interessanten Einblicke!
Die vollständigen Details zum Drei-Buch-Set BMW Behind The Scenes finden sich hier, darunter auch die Einleitung und einige Beispielseiten aus den Büchern. Das im Set enthaltene Buch BMW by Design ist auch als eigenständiger Titel erhältlich, alle Details dazu finden sich hier. In den nächsten Wochen und Monaten werden wir einige Auszüge aus den Büchern veröffentlichen und die spannendsten Fahrzeuge aufgreifen, aber die ganze Geschichte bleibt natürlich immer den gedruckten Büchern vorbehalten.