Fahrbericht BMW M8 F92: Zur Kurvendiskussion nach Portimao

BMW M8, Fahrberichte | 9.10.2019 von 0

Schnellster Serien-BMW aller Zeiten – aber das ist nur der Anfang. Für den ersten Fahrbericht haben wir den neuen BMW M8 Competition über die Rennstrecke von Portimao und die nicht immer perfekten Landstraßen der Algarve gejagt.

Wenn es um neue Superlative ging, hat die M GmbH in den letzten Jahren kaum eine Möglichkeit ausgelassen. Doch im Fall des neuen BMW M8 Competition stellt sich die Sachlage ein wenig anders dar, denn der naheliegende Superlativ ist nur der Beginn der Geschichte. Klar, mit 3,2 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 ist das 625 PS starke Luxus-Coupé der bisher schnellste Serien-BMW aller Zeiten – aber die Standardübung auf gerader Strecke verkommt im Fall des M8 Competition zu reinem Papierkram.

Denn Autos im 3-Sekunden-Bereich sind in der Preisklasse des M8 keine Seltenheit, weshalb selbst der unter optimalen Bedingungen realisierbare Wert von 2,88 Sekunden nur für wenige Kunden ausschlaggebend sein dürfte. Nein, in diesem Fall geht es um weit mehr als den explosiven Start und die gnadenlose Beschleunigung auf gerader Strecke: Mit dem BMW M8 Competition verspricht die M GmbH einen weiteren Performance-Sprung im Vergleich zum M5 und meint damit vor allem eine noch bessere Eignung für die Suche nach den physischen und physikalischen Grenzen des Gesamtpakets aus Mensch und Maschine.

Fahrbericht BMW M8 F92: So viel mehr als ein M5 in Coupé-Form

Dass ein solcher Sprung gelingen kann, möchte man beim Blick auf die technischen Daten zunächst bezweifeln. Denn auf den ersten Blick haben BMW M8 Competition und M5 mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede, was vor allem auf den Antriebsstrang mit V8-Biturbo S63, ZF Achtgang-Automatik und Allradantrieb M xDrive zutrifft. Doch die ähnliche Antriebstechnik rückt schon vor dem Einsteigen in den Hintergrund, weil der BMW M8 mit den weiter geschärften Formen des 8er Coupés so gar nicht an eine Business-Limousine erinnern will. Jeder Zentimeter der bei unserem Testwagen Feuerrot lackierten Oberfläche schreit, dass hier ein ernstzunehmender Sportwagen steht.

Nach dem Einsteigen wird die Abgrenzung vom M5 mit großen Schritten fortgesetzt: Das klar auf den Fahrer fokussierte und viel moderner gezeichnete Cockpit ist nur das Vorspiel für die Macht, mit der der V8-Biturbo beim Druck auf den roten Startknopf erwacht – die dramatische Stimme des Achtzylinders ist so weit von der Zurückhaltung eines M5 entfernt wie die primär als Ablagefläche nutzbare Rückbank von einem reisetauglichen Platzangebot.

Doch was wirklich im M8 steckt, spürt man erst in den schnellen Kurven von Portimao: Über 15 Zentimeter weniger Radstand, unzählige zusätzliche Verstrebungen, der 24 Millimeter tiefere Schwerpunkt und die fast vier Zentimeter breitere Spur an der Hinterachse gehen im M8 eine Symbiose ein, die auch die letzte Erinnerung an den M5 verblassen lässt. So wird das Abrufen des vollen Potenzials zunächst zur Mutprobe, bevor es unweigerlich ein Grinsen ins Gesicht nagelt. Wie lüstern sich der M8 in Kurven stürzt und auch die schnellen Richtungswechsel gegen Ende der Runde mit größter Freude umsetzt, verdient höchsten Respekt.

Trotz irrem Tempo bleibt der BMW M8 Competition dabei stets präzise kontrollierbar und liefert eine erstaunlich klare Rückmeldung: Sicher, knapp 1,9 Tonnen Leergewicht lassen sich nicht wegdiskutieren, aber der M8 hat auf jeden Fall die richtigen Argumente für eine Kurvendiskussion der rasanteren Art an Bord. Jetzt macht sich auch bezahlt, dass die Reifen-Experten von Pirelli dem M8 eine spezifische Konstruktion spendiert haben: Die Hochleistungsreifen für die Hinterachse sind noch etwas steifer als beim M5, wodurch sich das vor allem aus der breiteren Spur resultierende Traktionsplus noch besser ausschöpfen lässt.

Dennoch ist das Heck des M8 nicht so fest mit dem Asphalt verzahnt, dass der Fahrspaß unter zu viel Sicherheitsbewusstsein leidet: Schnelligkeit und Entertainment haben selten so gut unter einen Hut gepasst. Der stets hecklastige Allradantrieb versorgt die Hinterräder im Standardmodus 4WD mit aller Kraft, die sich gerade in Vortrieb umsetzen lässt. In 4WD Sport wird die Kraftverteilung noch unterhaltsamer und erlaubt am Kurvenausgang fein dosierbare Drifts, was den meisten Kunden im Alltag genügen dürfte. Wenn Rundenzeiten egal und vor allem die eigenen Grenzen gefragt sind, kann der M8 auch mit deaktiviertem DSC und reinem Heckantrieb gefahren werden.

Deutlich beeindruckender als die schiere Kraft, die die Hinterräder im 2WD-Modus überfällt und die Suche nach dem Limit zum Ritt auf der Rasierklinge macht, ist allerdings die spielerische Beherrschbarkeit im 4WD-Modus. Selbst bei völlig deaktiviertem DSC und hohem Tempo auf der Rennstrecke bleibt das M8 Coupé so gut kontrollierbar, dass man die gerade gefahrenen Geschwindigkeiten für einen Moment aus den Augen verlieren könnte. Das sollte man allerdings tunlichst vermeiden, denn mit 625 PS stürmt die digitale Geschwindigkeitsanzeige im Head-up-Display selbst auf kürzesten Geraden beängstigend schnell nach oben.

Zum Glück kann man sich in den Sekunden nach dem Vollgas-Einsatz auf die elektronisch geregelte und erstmals mit zwei wählbaren Kennlinien ausgerüstete Bremsanlage verlassen. Auf der Rennstrecke unterstützt der Sport-Modus den Fahrer dabei, stets den maximalen Bremsdruck aufzubauen und vor den langsameren Abschnitten der Strecke optimal zu verzögern. Eher eine Spielerei ist hingegen der TRACK-Modus: Da sich die Assistenzsysteme auch bisher vollständig deaktivieren ließen, sind das komplett schwarze Infotainment-Display und die reduzierten Anzeigen im Cockpit der einzige “Nutzen” des neuen Fahrprogramms – messbare Vorteile dürften sich hieraus eher nicht ergeben.

Und wo steht der BMW M8 Competition nun im Vergleich zum M5? Das zeigt sich vielleicht am besten, wenn man die Rennstrecke verlässt und den neuen Sportwagen aus Garching über etwas schlechtere Straßen scheucht. Denn während sich der M5 Competition seine zweifellos beachtliche Performance mit trockener Härte erkauft, bleibt der M8 auch auf holprigem Asphalt erstaunlich entspannt. Genau dieser Restkomfort kann durchaus als Indiz dafür verstanden werden, dass die aktuelle Ausbaustufe mit 625 PS noch nicht das Ende der Fahnenstange darstellen muss.

Kein Zweifel: In diesem Power-Paket steckt noch Potenzial für weitere Radikalisierungen, die dem M8 einen Teil von seiner Alltagstauglichkeit nehmen werden – aber auch noch niedrigere Rundenzeiten ermöglichen sollten. Bis zur Premiere von BMW M8 CS oder gar M8 CSL ist zwar noch Geduld gefragt, klare Dementis für entsprechende Planungen hört man aber auch auf Nachfrage nicht. Und so ist es gerade die Gelassenheit in der Abstimmung des M8, die den imposanten Performance-Sprung im Vergleich zum M5 so spürbar macht: Wer so viel schneller ist und dabei so gelassen bleibt, spielt in sportlicher Hinsicht mindestens eine Liga höher.

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