Fahrbericht BMW 335d xDrive F30: Biturbo-Diesel ohne Gewissensbisse

BMW 3er, Fahrberichte | 16.04.2014 von 84

Für notorische Angeber ist der BMW 335d xDrive ein denkbar schlechtes Auto. Silbern glänzend steht er da, trägt Winterreifen überschaubarer Dimension – und abgesehen vom …

Für notorische Angeber ist der BMW 335d xDrive ein denkbar schlechtes Auto. Silbern glänzend steht er da, trägt Winterreifen überschaubarer Dimension – und abgesehen vom optionalen Schriftzug am Heck deutet selbst für Kenner nichts darauf hin, welches mächtige Kraftpaket hier auf seinen Einsatz wartet.

Der stärkste Mittelklasse-Diesel der Welt sieht nicht besonders aggressiv aus, er klingt beim Kaltstart wie ein ganz gewöhnlicher Selbstzünder und gönnt sich an der Tankstelle kein teures Super Plus. Ein ganz vernünftiger Alltags-3er also, der Menschen mit Benzin – oder Diesel – im Blut tendenziell eher kalt lässt?
Ja und Nein!

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Sicher ist, dass man den 335d wie einen 320d fahren und dabei jede Menge Spaß haben kann. Der Motor ist effizient und kraftvoll, dank Head-Up Display hat der Fahrer alle wichtigen Informationen jederzeit im Blick, das Infotainment-System ist über jeden Zweifel erhaben und der Innenraum längst nicht mehr so eng geschnitten wie bei früheren 3ern. Aber der 335d hat eben noch ein zweites Gesicht, das ihn in einem völlig anderen Licht erscheinen lässt: Im Modus Sport+ erwacht der Power-Diesel mit Biturbo-Aufladung zum Leben und zeigt, mit welchen bärigen Kräften moderne Selbstzünder zu Werke gehen können. Wer den Autobahn-Parkplatz mit quietschenden Reifen verlassen oder an der Ampel Sportwagen überraschen möchte, sitzt nämlich ebenfalls im richtigen Auto.

Dank der Traktion des Allradantriebs xDrive kommt der BMW 335d F30 fast so gut aus den Startlöchern wie ein M3 und auch wenn er dabei längst nicht so gut klingt, bleiben keinerlei Zweifel an der erlebten Performance zurück. Der Diesel-Kraftstoff wirkt auf den 335d wie ein Energy-Drink, der ungeahnte Leistungsreserven weckt und die scheinbar brave Mittelklasse-Limousine in 4,8 Sekunden auf 100 km/h beschleunigen lässt.

Wenn Rudolf Diesel heute wissen könnte, welchen Weg die nach seinem Prinzip arbeitenden Motoren inzwischen gegangen sind, dürfte er tiefe Dankbarkeit empfinden – wurde sein Name früher vor allem mit schweren und gleichsam schwerfälligen Maschinen in Verbindung gebracht, wird er heute längst auch in einem Atemzug mit agilen Sportwagen genannt.

Ein solcher ist der 335d zwar nicht, aber in den richtigen Händen ist diese 3er Limousine dennoch kaum aus dem Rückspiegel zu vertreiben. Schon ab 1.500 U/min bietet der dank Register-Aufladung mit zwei unterschiedlich großen Turboladern ungewohnt spontan ansprechende Selbstzünder ein Drehmoment von 630 Newtonmeter, was jeden Vollgas-Zwischensprint zum Vergnügen macht. Die ausgegliche Gewichtsverteilung und die gelungene Abstimmung des Allradantriebs erlauben es dabei durchaus, das Heck zur sanften Mitarbeit zu überreden – ein kreuzbraver und zuweilen langweiliger Untersteuerer ist der 335d xDrive keineswegs.

Wer gerne dynamisch fährt und es mit dem Understatement nicht ganz so genau nimmt, sollte nicht auf das M Sportpaket verzichten. Auch unabhängig von den optischen Vorzügen des M Pakets empfehlen wir allen F30-Fahrern dringend die Investition in das M Lederlenkrad, das den anderen Lenkrädern aus unserer Sicht sowohl haptisch als auch ergonomisch weit überlegen ist.

Weitere Minus-Punkte sammelt unser Testwagen für die ab 180 km/h zu dominanten Windgeräusche, den speziell bei niedrigen Drehzahlen rauen Motorlauf und die mangelnden Wahlmöglichkeiten hinsichtlich Antriebskonzept und Getriebe – den BMW 335d F30 gibt es nur mit Automatikgetriebe und ausschließlich mit dem Allradantrieb xDrive.

Wer mit diesen Punkten Leben kann und eine uneingeschränkt alltagstaugliche Limousine mit dem gewissen Kick sucht, ohne sich von Verbrauch und Spritpreisen die Haare vom Kopf fressen zu lassen, sollte sich den BMW 335d xDrive in jedem Fall genauer ansehen. Kein anderes Auto dieser Klasse kombiniert vergleichbare Fahrleistungen mit ähnlich niedrigen Unterhaltskosten, echte Wettbewerber mit ähnlich starken Selbstzünder-Motoren sind nicht in Sicht.

Letzteres ist durchaus schade, denn vielleicht könnte etwas mehr Druck durch andere Anbieter zu einem Fahrzeug führen, das in den Disziplinen Fahrspaß und Effizienz noch mehr Freude verspricht – wie wäre es mit einem 335d mit klassischem Hinterradantrieb? Bisher hilft bei solchen Wünschen nur der Gang zum Tuner, so bietet unter anderem der Kelleners 330d (zum Fahrbericht) das Erlebnis eines über 300 PS starken Diesel-3ers mit Hinterradantrieb. Viel zu beklagen haben 335d xDrive-Fahrer allerdings auch nicht, denn je nach Fahrstil sind Alltagsverbrauchswerte unter 8 Liter auch mit viel Stadtverkehr keine Herausforderung.

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