Adrian van Hooydonk, Leiter BMW Group Design, im Gespräch

Sonstiges | 2.03.2012 von 18

Seit 1992 arbeitet Adrian van Hooydonk für BMW, seit 2004 war er in leitender Position für das Design der Marke BMW verantwortlich. Seit dem Rücktritt …

Seit 1992 arbeitet Adrian van Hooydonk für BMW, seit 2004 war er in leitender Position für das Design der Marke BMW verantwortlich. Seit dem Rücktritt von Chris Bangle im Februar 2009 steht der Niederländer an der Spitze des BMW Group Designs, nachdem er zuvor unter anderem für die Gestaltung des BMW 5er F10 verantwortlich war.

Unter seiner Führung arbeiten die Design-Chefs der Marken BMW (Karim Habib), BMW i (Benoit Jacob), MINI (Anders Warming) und Rolls-Royce (Ian Cameron) an ihren jeweiligen Konzepten. Als Leiter BMW Group Design gibt Adrian van Hooydonk die grobe Richtung vor und tritt beispielsweise auch auf, um Vertretern der Presse das Design der Submarke BMW i zu erklären.

BMW hat den Designer nun zu einigen relativ allgemeinen Statements rund um Design aufgefordert und allen, die den Niederländer und seine Philosophie zukünftig besser verstehen und einen etwas tieferen Einblick in die Design-Prozesse innerhalb der BMW Group erhalten wollen, seien die im folgenden zu lesenden Aussagen wärmstens empfohlen.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Wirtschaftsfaktors Design? Welche Bedeutung hat Design heute in unserer Gesellschaft?  
Design ist seit vielen Jahren Kaufgrund Nummer eins. Das wissen wir aus der Marktforschung. Das bedeutet für uns Designer natürlich eine große Verantwortung, die wir für das Unternehmen und auch für unsere Kunden tragen. Eine Herausforderung, die wir gerne annehmen.

Designer sind aktive Gestalter der Gesellschaft. Wir Automobildesigner gestalten zusammen mit den Architekten einen großen Teil unserer Lebenswelt. Damit kommt dem Design eine wesentliche Bedeutung zu. Wir beschäftigen uns sehr intensiv mit gesellschaftlichen Entwicklungen, gestalten unterschiedliche Szenarien und versuchen zu verstehen, wie wir uns darin bewegen. Unser Job als Designer ist es, aktuelle Strömungen wahrzunehmen und die Bedürfnisse und Wünsche unserer Kunden zu erkennen – immer im Hinblick auf die Zukunft. Und mit einem neugierigen Blick für das, was gerade ansteht.

Welchen Beitrag zur Gestaltung unserer Gesellschaft kann das Automobildesign leisten? Welche Verantwortung übernehmen Sie als Automobildesigner damit?
Automobildesign ist immer Ausdruck der jeweiligen Zeit und eines bestimmten Lebensgefühls. Wie wir alle wissen, durchlebt die Automobilindustrie zurzeit einen großen Wandel. Nachhaltigkeit ist zu einem viel beachteten Faktor geworden, wenn es darum geht, ein neues Produkt zu erwerben. Die Menschen sind sich ihrer eigenen Verantwortung immer mehr bewusst und prüfen ganz genau, in welchem Maße auch Marken Verantwortung übernehmen. Wir nehmen unsere Verantwortung für die Umwelt sehr ernst. Vor diesem Hintergrund arbeiten wir eng mit unseren Ingenieuren zusammen, um den Benzinverbrauch unserer Automobile zu senken. Der Verbrauch der gesamten BMW Flotte ist bereits heute niedriger als der aller anderen Premiumhersteller. In Zukunft wollen wir hier sogar noch einen Schritt weitergehen.

Ich denke, das macht deutlich, wie wichtig es für uns ist, Zukunft denken zu können. Wir beobachten kulturelle und soziale Strömungen auf der ganzen Welt und sind in engem Kontakt mit unseren Kunden, um ihre individuellen Bedürfnisse und Wünsche zu identifizieren. Denn letztlich ist es für uns von entscheidender Bedeutung, den Kunden im Auge zu haben, wenn wir ein neues Automobil designen, das emotional bewegend ist und eine langfristige Faszination hervorrufen soll. Für uns bedeutet das, dass unsere Produkte weitaus mehr sind als die Summe ihrer Funktionen. Um dieses hochgesteckte Ziel zu erreichen, entwickeln wir eine unabhängige und authentische Formensprache, die zur Marke passt und unter der Berücksichtigung ihrer starken Herkunft zugleich ihre Zukunft formt.

Wie lange dauert es, ein Automobil zu designen? Welche Schritte werden dabei konkret durchlaufen? Welchen davon betrachten Sie als größte Herausforderung?
Der Designprozess ist immer wieder faszinierend. Zu Beginn briefe ich die Designteams mit Input zu Kontext und Charakter des gewünschten Automobils. Wir sprechen hier über Heritage, Designcharakteristika und die Erwartungen der Kunden. Im Anschluss entwickelt jeder Designer in seinem jeweiligen Fachgebiet – also beispielsweise Exterieur Design, Interieur Design oder Farbe & Material Design – Ideen und Vorstellungen zu dem neuen Automobil und darüber, wie er diese im Design umsetzt. In einem internen Wettbewerb wählen wir einige der vielversprechendsten Skizzen aus und übertragen sie in dreidimensionale 1:1 Clay-Modelle, ein industrieller Spezialwerkstoff für Formgestalter. In einem weiteren Schritt werden diese Designvorschläge von den Vorstandsmitgliedern der BMW Group genau geprüft. Die drei, vier besten Modelle kommen dann in die nächste Runde. Nachdem das finale Modell gekürt wurde, geht es an die Feinarbeit für die Details. Ziel ist, das beste Modell zur Serienreife zu bringen. Damit dauert der Designprozess ungefähr drei Jahre, von der ersten Skizze bis zum finalen Design.

Wie sieht die Zusammenarbeit von Designern und Entwicklern aus? Wer beeinflusst wen?
Viele Menschen denken, dass das Design immer in Konflikt steht mit der Technik. Wenn man sich aber als Industriedesigner versteht, dann ist die funktionale Komponente Grundvoraussetzung. Die Technik muss Hand in Hand gehen mit dem Design und umgekehrt. Man muss dem Kunden hochwertige Technik bieten, dazu aber auch Emotionen – und das geht primär über das Design. Das Schöne an BMW ist, dass die Techniker das wissen. Umgekehrt ist uns beim Design immer bewusst, dass es auch eine Funktion zu erfüllen hat, dass die schönste Form keinen Sinn ergibt, wenn man sie nicht bedienen kann.

Wohin geht die Reise im Automobildesign? Was wird uns die Zukunft Ihrer Meinung nach bringen, in fünf, zehn, zwanzig Jahren?
Wir glauben daran, dass die individuelle Mobilität weiterhin der bestimmende Faktor in unserer Fortbewegung bleiben wird. Meiner Meinung nach wird man in Zukunft Effizienz im Fahrzeugdesign stärker wahrnehmen. Dazu gehören die visuelle Darstellung von Aerodynamik und eine sichtbare Leichtbautechnik. Zudem erwarten wir, dass die Motoren durch neue Antriebstechnologien kleiner werden und dadurch mehr Platz für den Innenraum zur Verfügung steht. Die neue BMW Ästhetik wird all diesen Veränderungen Rechnung tragen. Wir wollen eine Ästhetik, die effiziente Dynamik als natürlichen Teil unserer Formensprache zeigt. Ich glaube auch, dass Design in Zukunft Kaufgrund Nummer eins bleiben wird. Unsere Kunden werden andere Dinge von uns erwarten, wahrscheinlich neue Funktionen, aber sie werden die emotionale Komponente niemals aufgeben. Natürlich erwarten unsere Kunden auch, dass wir als Premiumhersteller Antworten auf die großen Fragen haben, die mit Nachhaltigkeit in Verbindung stehen. Und wir arbeiten sehr intensiv an diesem Thema.

Welche Rolle spielt der Faktor Nachhaltigkeit bei der BMW Group?
In den letzten Jahren ist Nachhaltigkeit zu einem Riesenthema geworden – und das wird auch so bleiben. Gerade Premium-Kunden erwarten inzwischen, dass ihr Fahrzeug im Vergleich zum Wettbewerb weniger verbraucht und geringere Emissionen hat, dass wir als Hersteller alle eingesetzten Materialien genau überprüft haben und dass die Herstellungsprozesse umweltschonend verlaufen. Als nächste Aufgabe folgt daraus, die Materialien so einzusetzen, dass sie in einer vergleichbaren Funktion wiederverwendet werden können.

Verraten Sie uns die zentrale Aussage in der Designsprache von BMW?
Wir machen bei der BMW Group hochemotionales Design, das authentisch ist und zukunftsorientiert. Mit authentisch meine ich, dass das Produkt auch das zeigt, was man erfahren kann, wenn man es fährt. Einige in den letzten Jahrzehnten entwickelte Designfeatures sind zu einzigartigen BMW Designikonen geworden und heute bedeutende Bestandteile der BMW Design DNA. Ausgehend von dieser DNA können wir neue Designkonzepte entwickeln, die mit einem eigenständigen Charakter versehen sind, aber immer noch ganz klar erkennbar zur BMW Familie gehören. Wir beschäftigen uns bei BMW Design intensiv mit Proportionen, Oberflächen und Details. Zahlreiche unverwechselbare Designmerkmale machen jeden BMW einzigartig und sind Ausdruck unserer Designsprache. Die typischen BMW Proportionen wie ein langer Radstand, kurze Überhänge, lange Motorhaube und eine nach hinten versetzte Fahrgastzelle belegen die sportliche Eleganz und Dynamik jedes BMW. Unsere Oberflächen sind immer eine emotionale Interpretation des individuellen Charakters eines jeden Modells.

Welche Rolle spielen Concept Cars in der Evolution des BMW Group Automobildesigns?
Concept Cars sind immer Projekte, die man toll findet, wo man sich als Designer freier bewegen und Ideen austesten kann. Dabei finde ich immer die Concept Cars reizvoll, die sich nicht nur durch ihre ästhetische Aussage auszeichnen, sondern die auch das Unternehmen in irgendeiner Form vorangebracht haben. Zum Beispiel der Vision EfficientDynamics. Dieses Concept Car hat innerhalb der Firma sehr viel bewirkt. Es hat das Thema effiziente Dynamik mit etwas Hochemotionalem verbunden. Viele Leute haben gedacht, dass das eigentlich nicht geht. Aber wir haben damit belegt, dass wir diese unmögliche Kombination leisten können.

Was empfinden Sie selbst „bewegend“ am Design eines Automobils?
Als Chefdesigner der BMW Group komme ich nur noch selten dazu, selber zu entwerfen. Eine meiner wichtigsten Aufgaben besteht darin, mein Team zu motivieren und die maximale Kreativität aus jedem einzelnen Designer herauszuholen. Ich sehe mich als Coach und Mentor meiner Mitarbeiter. Als solcher gebe ich nicht nur das Briefing für ein neues Automobil an das Team, ich begleite den gesamten Prozess – von der ersten Skizze bis zum Launch eines neuen Modells. Dabei ist es mir sehr wichtig, meinem Team die größtmögliche Freiheit im Gestaltungsprozess einzuräumen. Am Ende ist es schon sehr bewegend, wenn man ein Automobil auf der Straße sieht, das man seit der ersten Skizze kennt.

Woher beziehen Sie Inspiration für Ihre Arbeit? Womit bringen Sie die Ideen in Fluss?
Als Designer muss man Visionen haben, Ideen, wie es in Zukunft weitergehen kann. Dazu gehört, dass man sehr breit gefächerte Interessen mit in den Beruf bringt. Autodesigner müssen sich für viele Dinge interessieren, sie gehen auf Konzerte, interessieren sich für Mode oder moderne Kunst. Ich persönlich finde Olafur Eliasson, Jeff Koons oder Gerhard Richter sehr inspirierend. Aber auch Architekten wie Rem Kohlhaas, Frank Gehry oder die Arbeiten von Jacques Herzog und Pierre deMeuron. Autodesign braucht eine gewisse Inkubationszeit und die nährt man am besten mit wirklich gutem Input.

Was lässt Ihr Herz höherschlagen? Im Designprozess oder beim Betrachten eines Fahrzeugs, das Sie in Serie gebracht haben? Wofür begeistern Sie sich, wenn es nicht um Automobile geht?
Ein wirklich schöner Moment ist, wenn der Anspruch im Design für das Produkt gut funktioniert, wenn das Produkt schön ist und emotional anspricht. Oder auch, wenn man Ideen hat für komplett neue Produkte. Zu meinen Aufgaben gehört es auch, im Unternehmen neue Produktideen anzustoßen. Wenn so etwas gelingt, dann ist das natürlich interessant. Neue Kooperationen oder Kontakte zu pflegen mit Menschen, mit denen wir dann auf der Möbelmesse in Mailand neue Sachen machen. Das sind Aspekte, die für mich persönlich auch enorm motivierend und stimulierend sind.

Als Designer interessiert man sich für alles, was um einen herum passiert. Bei jedem Objekt frage ich mich, wie ich das gestalten würde. Das ist eine permanente Auseinandersetzung mit der Umwelt. Man entwickelt dabei feine Antennen für den Zeitgeist.

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