Interview mit Dr. Bernardo Lopez zum neuen Vierzylinder Turbo N20

News | 14.03.2011 von 44

Aufgeladene Vierzylinder werden nach den Planungen bei BMW schon in absehbarer Zeit einen Großteil der in Europa verkauften Ottomotoren ausmachen. Besonders deutlich wird das bei …

Aufgeladene Vierzylinder werden nach den Planungen bei BMW schon in absehbarer Zeit einen Großteil der in Europa verkauften Ottomotoren ausmachen. Besonders deutlich wird das bei den kommenden Generationen der 1er- und 3er-Reihe werden, denn hier werden Sechszylinder entweder nicht mehr oder nur noch am obersten Ende der Motorenpalette verfügbar sein. Unterhalb der Motoren mit vier Zylindern soll es sogar aufgeladene Dreizylinder geben, die das Leistungsspektrum bis 110 PS abdecken sollen.

Den ersten Schritt dieser umfassenden Entwicklung stellt der neue BMW X1 xDrive28i dar, denn wie berichtet arbeiten im Top-X1 künftig nur noch vier Zylinder. Der neue Motor trägt die interne Bezeichnung N20B20, leistet 245 PS und punktet gegenüber dem bisher eingesetzten Reihensechszylinder mit deutlich niedrigerem Normverbrauch. Auf dem Genfer Automobilsalon 2011 hatten wir die Gelegenheit, Dr. Bernardo Lopez-Alvaredo von der Motorenentwicklung kurz zu sprechen und haben ihm einige Fragen rund um die neue Motorengeneration gestellt.

Bernardo-Lopez-Alvaredo

BimmerToday: BMW hat vor wenigen Wochen den neuen Vierzylinder-Motor der Generation N20B20 vorgestellt, der ähnlich wie die Sechszylinder der Generation N55 über einen TwinScroll-Turbolader verfügt. Warum hat man sich entschieden, diesen Motor ausgerechnet im BMW X1 einzuführen?
Dr. Bernardo Lopez: Aus Antriebssicht handelt es sich um ein Aggregat, das sowohl in Verbindung mit dem Sechsgang-Handschalter als auch mit der Achtgang-Automatik hervorragend zu diesem Fahrzeug passt. Das Fahrzeug lässt sich mit diesem Antrieb extrem agil bewegen, der Verbrauch sinkt trotz besserer Fahrleistungen und insofern passt der Motor sehr gut zum X1.

BimmerToday: Mit Blick auf das Verhältnis von Leistung zu Verbrauch scheint der X1 nicht unbedingt die ideale Wahl zu sein. Hat man hier nicht die Möglichkeit verspielt, der Öffentlichkeit den neuen Motor mit niedrigeren Normverbrauchswerten zu präsentieren?
Dr. Bernardo Lopez: Von unserer Seite aus heißt das Ziel, jedes Modell möglichst effizient anzutreiben, egal wie gut oder schlecht die fahrzeugseitigen Randbedingungen sind. Es ist sicherlich so, dass ein X1 hier anders aufgestellt ist als ein 1er oder ein 3er, aber es ist natürlich unser Anspruch, auch dort einen effizienten Antrieb anzubieten.

BimmerToday: Wo liegen aus Ihrer Sicht die Vorteile des aufgeladenen Vierzylinders gegenüber den bisherigen Saugmotoren mit sechs Zylindern?
Dr. Bernardo Lopez: Zunächst erreichen wir mit der BMW TwinPower-Turbotechnologie bei gleicher Maximalleistung ein besseres Ansprechverhalten. In niedrigen Drehzahlen lassen sich die Fahrzeuge zudem souveräner bewegen, was uns die Vorteile der Achtgang-Automatik besser nutzen lässt: Die niedrigen Drehahlen sind im Alltag besser fahrbar. Wir haben unterm Strich eine perfekte Kombination: mehr Dynamik, einen besseren Response und weniger Verbrauch.

BimmerToday: Hat man Angst, hier einige Kunden zu verlieren, die BMW gerade wegen der Reihensechszylinder geliebt haben, die nun ans obere Ende der Motorenpalette rücken?
Dr. Bernardo Lopez: Wir sind uns der Situation bewusst, dass wir Kunden zufriedenstellen müssen, die Sechszylinder-Aggregate gewohnt sind, BMW mit solchen Motoren verbinden und mit Recht eine solche Erwartungshaltung mitbringen. Insofern war es natürlich auch unser Anspruch in der Entwicklung, auch diese Kunden zufriedenzustellen. Das war nicht ganz einfach und eine große Herausforderung für uns in der Antriebsentwicklung, aber wir glauben, dass uns da eine sehr gute Lösung gelungen ist.

BimmerToday: Hat man in dieser Hinsicht auch besonderes Augenmerk auf den Motorsound gelegt?
Dr. Bernardo Lopez: Ja. Es ist natürlich so, dass Vierzylindermotoren von vornherein einen anderen Sound und andere Drehungleichförmigkeiten haben und man muss hier spezielle Maßnahmen ergreifen. Wir haben motorseitig eine andere Anordung der Ausgleichswellen, die zu weniger Schwingungen führt und wir haben im Zweimassenschwungrad ein Fliehkraftpendel installiert, das unerwünschte Schwingungen vom Motor tilgen kann. In Summe erhalten wir über das gesamte Drehzahlband eine Akustik und ein Schwingungsverhalten, das dem des Sechszylinders gleichwertig oder an manchen Stellen sogar überlegen ist.

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BimmerToday: Viele Beobachter sind der Meinung, dass die neuen Vierzylindermotoren für BMW billiger herzustellen seien und das man hier einen eventuellen Preisvorteil an die Kunden weitergeben könnte. Können Sie dazu etwas sagen?
Dr. Bernardo Lopez: Zu den genauen Herstellungskosten kann ich Ihnen nichts sagen, aber es ist so, dass es sich auf keinen Fall um einen minderwertigeren Motor handelt. Wir haben ein sehr aufwendiges Technologiepaket verbaut, das auch der Lösung in unseren Sechszylindern ebenbürtig ist und seinen Preis hat.

BimmerToday: Als BMW bei Ottomotoren zu Aufladung zurückkehrte, sahen wir zunächst zwei kleine Turbolader im N54. Heute sehen wir in N55 und N20 einen TwinScroll-Turbolader. Wo genau liegt der Vorteil dieser Technologie?
Dr. Bernardo Lopez: Wir haben da zwei Effekte: Wenn wir weniger Teile verwenden, sind wir in Summe effizienter, weil wir weniger Masse bewegen müssen. Zudem können wir die Energie in den heißen Abgasen durch eine zentrale Zuführung an eine Stelle, auf den einen Turbolader, besser bündeln. Die Abgase der vier Zylinder beeinflussen sich gegenseitig und wir leiten die Abgase von zwei Zylindern jeweils in einen Kanal, der dann in den Turbolader führt. Aus den zwei am Lader ankommenden Kanälen kommt abwechselnd ein starker Impuls, was zu einem besseren Drehzahlaufbau des Laders und somit letztlich zu einem besseren Ansprechverhalten führt. Es handelt sich also keineswegs um einen Nachteil gegenüber einer Konstruktion mit zwei Ladern, sondern im konkreten Fall sogar um einen Vorteil.

BimmerToday: Wichtigster Wettbewerber für den N20 ist sicherlich der 2.0 TFSI von VW/Audi. Hat man bei Vergleichen während der Entwicklung diesen Motor im Blick gehabt oder lag der Fokus eher auf den eigenen Sechszylindern?
Dr. Bernardo Lopez: Die Ziele und Anforderungen für die Entwicklung dieses Antriebs waren an unseren eigenen Angeboten orientiert und daran, was wir unseren Kunden anbieten wollten. Konkret ging es also darum, das Komfort- und Akustikniveau des Motors zu erreichen, den wir mit dem neuen Motor ablösen wollen. Insofern waren die eigenen Sechszylinder-Saugmotoren hier das dominante Element.

BimmerToday: Aber man hat sicherlich auch die Lösungen von Wettbewerbern unter die Lupe genommen, oder?
Dr. Bernardo Lopez: Wir würden einen Fehler machen, wenn wir uns nicht mit den Lösungen von anderen Anbietern beschäftigen würden. Das tun wir in jedem Bereich, natürlich schauen wir uns das an. Ich glaube aber, dass es fair ist zu sagen, dass bei dieser Entwicklung zunächst unsere eigenen Ansprüche erfüllt werden mussten und wir sind mit dem Ergebnis, so wie man es heute im X1 xDrive28i sehen kann, sehr zufrieden.

BimmerToday: Gibt es Elemente am Motor, auf die Sie besonders stolz sind und die eine besondere Erwähnung verdient haben?
Dr. Bernardo Lopez: Ja. Wir nutzen sehr spezielle Laufbahnbeschichtungen, die durch das LDS-Verfahren (Laser-Drahtbogen-Schweißen) ermöglicht werden. Diese Verfahrenstechnik sorgt dafür, dass wir mit einer dünneren Zwischenschicht in der Zylinderlaufbahn unabhängig vom zugrundeliegenden Material eine bestimmte Beschichtung aufbringen kann, was letztlich zu verminderter Reibleistung und verbesserter Wärmeabführung beiträgt und somit die Effizienz steigert. Wir sind der erste Hersteller, der diese Technik in der Großserie einführt und darauf sind unsere Motorkonstrukteure auch sehr stolz.

BimmerToday: Herr Dr. Lopez-Alvaredo, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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