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Der perfekte Reise(be)gleiter: Fahrbericht zum BMW 535i GT

Auch nach einem dreiviertel Jahr auf dem Markt ist der BMW 5er GT kein gewöhnlicher Anblick auf unseren Straßen. Das wird auch zukünftig so bleiben und liegt in gewisser Weise auch im Interesse von BMW, denn der Gran Turismo soll durchaus Exklusivität verkörpern, was einem Massenprodukt naheliegenderweise nicht gelingen kann. Aber womit hat man es hier eigentlich zu tun?

Auf den ersten Blick sehen wir ein Fahrzeug, das an die BMW 5er Limousine erinnert, aber länger, massiger und vor allem ungewohnter wirkt. Bis zur B-Säule könnte es sich fast um einen normalen 5er handeln, aber der längere Radstand und vor allem der wuchtige Heckabschluss machen Verwechslungen unmöglich. Während sich der 5er GT den Radstand mit dem BMW 7er teilt, fallen uns für die Heckpartie keine Vorbilder ein. Was uns am BMW 535i GT sonst noch aufgefallen ist, könnt ihr in unserem ausführlichen Fahrbericht lesen.

Der strittigste Punkt am BMW 5er GT ist ohne jeden Zweifel die Heckpartie. Man muss sich schon etwas länger auf die Suche begeben, um Bewunderer für diese Ansicht zu finden, aber es gibt auch bei weitem nicht nur Ablehnung. Ähnlich wie beim Porsche Panamera stand auch beim Gran Turismo die Nutzbarkeit des Innenraums an erster Stelle, das Fahrzeug wurde gewissermaßen von Innen nach Außen entwickelt. Resultat der Arbeit ist vor allem ein geräumiger Fond, in dem es sich beinahe perfekt reisen lässt, aber dazu später mehr.

Neugierige Blicke gehören zum Serienumfang des BMW 5er GT

Und auch wenn die gefundene Lösung gewöhnungsbedürftig ist, kann man sich im Alltag schnell mit ihr anfreunden. Neugierige Blicke gehören praktisch zum Serienumfang jedes 5er Gran Turismo, in dieser Disziplin hängt der große 5er unserer Erfahrung nach mühelos jeden 7er ab.

Die auf zwei Arten zu öffnende Heckklappe bewährt sich im Alltag ebenfalls, denn in der Regel reicht die kleine Öffnung zum Beladen aus. Zum Entladen empfiehlt sich allerdings das Öffnen der gesamten Heckklappe, um Dinge im hinteren Bereich des Kofferraums besser erreichen zu können. Insgesamt bietet der Laderaum weniger Platz als ein BMW 5er Touring und auch die Limousine macht hier den besseren Eindruck, wobei es sich offenbar um einen Tribut an den komfortablen Fond handelt.

Die Kompromisse, die man zu Gunsten des Fonds bei Design und Kofferraum eingegangen ist, machen sich allerdings bezahlt. Noch bequemer als auf den hinteren Einzelsitzen eines BMW 5er Gran Turismo lässt es sich kaum reisen. Auf den optionalen Monitoren in den vorderen Sitzlehnen lässt sich das komplette Infotainment-Angebot genießen: Egal ob Internet, Navigation, Musik oder DVD, praktisch alles ist möglich.

Mit Hilfe der gut in der Hand liegenden Fernbedienung gestaltet sich die Bedienung denkbar einfach. Dank der komfortablen Fahrwerksauslegung und der guten Geräuschdämmung halten sich die Einflüsse von Außen in engen Grenzen und selbstverständlich lässt es sich im Fond auch gut arbeiten.

Absolut beeindruckend fällt die Material- und Verarbeitungsqualität aus. Kann man hier bei den kleineren Baureihen noch Kritik üben, fällt dies im Umfeld der neuen 5er-Generation äußerst schwer. Steigt man beispielsweise aus einem BMW X1 in den BMW 5er GT, fallen unheimlich viele Kleinigkeiten auf, die noch besser gelöst sind. Zunächst liegt das größere und softere Lenkrad besser in der Hand, auch wenn es etwas weniger Sportlichkeit und mehr Komfort vermittelt. Auch Details wie die Hebel für Blinker und Scheibenwischer sind haptisch ansprechender und somit luxuriöser.

Das zentrale Display fällt mit 10,2 Zoll nochmals größer aus als im X1 und überbietet so manches Netbook, auch die Steuerung ist dank des mit höherwertigen Materialien gebauten iDrive-Controllers ein noch größerer Genuss. Der aktuelle Automatikwählhebel sieht nicht nur um Längen besser aus als das alte Modell, er fühlt sich auch deutlich besser an und lässt sich dank der Park-Taste am oberen Rand auch noch besser nutzen.

Komfortabler als im Fond des 5er GT kann man kaum reisen

Auf dem bequemen Fahrersitz kann der Komfort für sportliche Naturen allerdings auch zu viel des Guten werden, denn hohe Fahrdynamik sucht man im BMW 5er GT vergebens. Das Fahrwerk lässt sich in drei verschiedenen Stufen von Comfort über Normal bis Sport einstellen, für sportliche Kurvenfahrt ist aber auch die dynamischste Einstellung nur bedingt geeignet. Das hohe Fahrzeuggewicht lässt sich nicht verbergen und fällt insbesondere in engen Kurven negativ auf, wenn man sie zügig angehen will. Für unseren Geschmack war der Modus Comfort etwas zu weich, was auf unebenen Straßen zu einem Nachwippen der Karosserie führt. Der Modus Normal ist insofern tatsächlich ideal für den Alltag, die Option Sport dürfte mit Blick auf das Gesamtkonzept von den meisten Besitzern eher selten gewählt werden.

Von seinem gesamten Naturell her motiviert der Gran Turismo eher zum entspannten Gleiten als zum Kurvenkratzen, weshalb die komfortorientierte Abstimmung des Fahrwerks durchaus Sinn ergibt. Der mittels TwinScroll-Turbolader auf Touren gebrachte Reihensechszylinder unter der Motorhaube eignet sich ebenfalls hervorragend zur souveränen Fahrt, denn er stellt in jedem Drehzahlbereich genügend Leistung zur Verfügung. In Verbindung mit dem unauffälligen und grade deshalb so guten Achtgang-Automatikgetriebe entsteht ein Antriebsstrang, der sich für Komfort-Freunde nahe an der Perfektion befindet.

Damit soll allerdings keineswegs gesagt sein, dass man mit dem 535i GT nicht auch schnell unterwegs sein könnte. Besonders auf der Autobahn überzeugt der 5er GT wie kaum ein zweiter BMW. Souveräne Beschleunigung und hoher Komfort gehen hier eine wunderbare Symbiose ein, deren Ursprung man eher in Stuttgart als in München vermuten würde. Auch auf Landstraßen und im Stadtverkehr lässt sich der zusätzliche Komfort genießen, wenn man sich einmal an die überschaubaren querdynamischen Fähigkeiten der großen Limousine mit den rahmenlosen Türen gewöhnt hat.

Erstaunlicherweise hält sich auch der Durst des Fahrzeugs in Grenzen, denn man kann den 535i GT mühelos mit 11 Litern bewegen. Wer es schneller angehen lässt und dauerhaft Geschwindigkeiten über 200 km/h fährt, kann diesen Wert naturgemäß auch steigern. Insgesamt haben wir durchschnittlich 12,7 Liter verbraucht, was sich für ein Fahrzeug dieser Größe absolut sehen lassen kann. Dabei haben wir praktisch keinen Wert auf sparsames Fahren gelegt und waren durchaus zügig unterwegs.

Beinahe ärgerlich ist die Qualität des Head Up Displays, denn dank der ins Blickfeld projezierten Informationen kommt der Fahrer kaum dazu, das ansprechend gestaltete Black Panel-Display zu betrachten. Im Alltag ist es praktisch überflüssig, den Blick von der Straße zu nehmen, denn alle relevanten Informationen werden im HUD angezeigt – die gefahrene Geschwindigkeit, die von der Speed Limit Info erkannte Höchstgeschwindigkeit und natürlich auch Navigationshinweise. Zu diesen Hinweisen gehört auch eine Warnung, wenn man sich einem Stauende nähert oder aus anderen Gründen Gefahren drohen.

Fazit

Es fällt leicht, Kritikpunkte am BMW 5er GT zu finden: Das Design ist streitbar und die Fahrdynamik für einen BMW eher unterentwickelt. Dennoch hat uns der Gran Turismo überzeugt. Was zunächst nach einem Widerspruch klingt, hängt mit dem besonderen Konzept des Fahrzeugs zusammen, denn gewöhnliche Maßstäbe sind für ungewöhnliche Automobile nur bedingt geeignet.

Wenn man versucht, die Idee hinter dem 5er GT zu verstehen und das Auto aus diesem Blickwinkel betrachtet, erscheinen die scheinbaren Kritikpunkte als völlig nebensächlich. Der Fokus bei der Entwicklung lag unverkennbar darauf, ein Automobil zum stilvollen und komfortablen Reisen zu entwickeln, in dem sich auch Distanzen von vielen hundert Kilometern auf angenehme Art überwinden lassen – und das nicht nur auf den vorderen Plätzen, sondern auch und besonders auf den hinteren Einzelsitzen.

Egal ob auf dem Fahrersitz oder im Fond, immer strahlt der GT eine enorme Ruhe und Souveränität aus und lädt förmlich zu Langstreckenfahrten ein. Kurztripps in die Stadt sind eher nicht das Metier des Gran Turismo, aber natürlich erledigt er auch diese Aufgabe mit Bravour. Das Manko des hohen Gewichts sowie die komfortable Fahrwerksabstimmung sorgen in diesem Umfeld kaum für Sorgenfalten, vielmehr handelt es sich um einen gefühlten Pluspunkt.

Es wird die Ingenieure und Marketing-Experten einige Überwindung gekostet haben, beim 5er GT praktisch völlig auf sportliche Attribute zu verzichten. Man muss ihnen allerdings zu diesem Schritt gratulieren, denn eine aufgesetzte Sportlichkeit hätte das komplette Fahrzeugkonzept ad absurdum geführt. Sportlichkeit passt nicht zum Gran Turismo, dennoch passt der Gran Turismo zu BMW. Er ist eine gelungene Alternative zu den ausgetretenen Pfaden, die vieles anders und einiges besser macht als die gewöhnlichen Modelle der oberen Mittelklasse. Freunde der Querdynamik erhalten mit der BMW 5er Limousine die bessere Lösung, müssen dafür aber Kompromisse beim Komfort eingehen.

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