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ALPINA Chef Andreas Bovensiepen im Interview: “Keine Nachfrage nach BEVs”

Vor wenigen Wochen hatten wir auf dem Salzburgring die Gelegenheit zu einem ersten Fahrbericht mit dem BMW Alpina B8 Gran Coupé. Mit 621 PS, unbegrenzten 324 km/h Höchstgeschwindigkeit und 2.175 kg Leergewicht ist das viertürige Coupé zweifelsohne eher auf der Autobahn als auf Rennstrecken zuhause. Doch auf dem Rundkurs im Salzburger Land zeigt sich eindrücklich, wie präzise die Entwicklungsingenieure aus Buchloe Antrieb und Fahrwerk abgestimmt haben.

Gleich nach unserer Testfahrt treffen wir ALPINA Chef Andreas Bovensiepen zum Interview in der Boxengasse. Wir möchten wissen, was die Zukunft bringt. Wie steht es um vollelektrische Alpina-Modelle? Und warum wird es kein Alpina B8 Cabrio geben? Gewohnt eloquent und druckreif beantwortet Bovensiepen unsere Fragen – und deutet an, dass auch ein BMW Alpina B4 Gran Coupé Realität werden könnte.

BimmerToday.de: Die vergangenen anderthalb Jahre waren für uns alle und natürlich auch für die Automobilindustrie eine Herausforderung. Wie viel haben Sie bei ALPINA von der Corona-Krise gespürt?

Andreas Bovensiepen: In erster Linie hatten wir das Problem, dass die BMW Werke für circa zwei Monate geschlossen waren. Ende März 2020 hatte die Produktion des neuen BMW ALPINA B3 in München begonnen. Gerade sechs Autos liefen vom Band, dann waren die Werke zu. Die Kunden mussten warten, es gab ja eine große Menge an Vorbestellungen. In der Folge haben wir natürlich zwei Monate keine Autos mehr bekommen und konnten unsere Mechaniker in Kurzarbeit schicken. Die Fahrzeuge werden zu 80 Prozent bei BMW am Band montiert, aber die Endproduktion wie Frontspoiler, Heckspoiler und Interieur-Ausstattungen machen wir bei uns in Buchloe. Da sind uns dann die Autos ausgegangen und damit die Arbeit. Dies konnten wir auch im Laufe des Jahres nicht mehr aufholen – zwei Monatsproduktionen sind bei uns knapp 300 Autos.

BimmerToday.de: Trotz der Situation haben Sie letztes Jahr einige neue Modelle auf den Markt gebracht, unter anderem ja den BMW ALPINA XB7. Wie kommt das neue Modell bei Ihren Kunden an?

Andreas Bovensiepen: Der XB7 ist eingeschlagen wie eine Bombe. Natürlich sind die Hauptmärkte für dieses Modell USA und Kanada. Wir gehen davon aus, dass wir dort dieses Jahr 500 XB7 verkaufen. Das ist für uns natürlich eine große Nummer. Beim B7 liegen wir da zum Beispiel bei einer Größenordnung von 300 – 400 Autos.

 BimmerToday.de: Nun bauen Sie das High-End Luxussegment noch weiter aus. Wir durften heute auf dem Salzburgring erstmals das neue BMW ALPINA B8 Gran Coupé ausprobieren. Der B8 nutzt den bekannten 4,4-Liter-V8-Biturbo, den wir zum Beispiel aus dem ALPINA XB7 kennen. Wo liegen die technischen Unterschiede?

Andreas Bovensiepen: Grundsätzlich war es für uns sehr interessant, wieder einen 8er zu machen. Wir haben da Tradition, schon Anfang der 90er Jahre gab es den BMW ALPINA B12 mit Zwölfzylindermotor auf Basis des 8er. Wir begrüßen natürlich, dass BMW in der Klasse wieder tätig ist. Mit den großen Coupés stehen wir im Wettbewerb zu anderen Luxusmarken wie Aston Martin. Der 4,4-Liter-Motor mit 621 PS und 800 Nm Drehmoment ist grundsätzlich baugleich, aber das Kühlpaket ist in jedem Fahrzeug anders. Die Auspuffanlage wurde der Fahrzeuggeometrie angepasst und verfügt über den letzten Stand Kats- und OPF-System. Das Fahrwerk unterscheidet sich natürlich beim SUV XB7 mit Zweiachs-Luftfederung und der Höhendifferenzierung von bis zu 40 Millimeter deutlich.

 BimmerToday.de: Das BMW ALPINA B8 Gran Coupé ersetzt nun den BMW ALPINA B6 Bi-Turbo, der als Gran Coupé, Cabrio und Coupé angeboten wurde. Wie kam es zu der Entscheidung, die Auswahl auf ein Modell zu reduzieren?

Andreas Bovensiepen: Wir haben natürlich – wie viele andere Hersteller auch – begrenzte Ressourcen. ALPINA hat im Automobilbereich eine Mitarbeiterstärke von 280 Mann, davon sind mehr als 100 Leute in der Entwicklung tätig. Wir haben uns gefragt: Welches Modell bringt final die meisten Verkäufe? Da fiel die Entscheidung, im wachsenden SUV-Segment den XB7 zu machen. In der Folge mussten wir leider auf den B8 als Cabrio und Coupé verzichten. Wir haben beim Vorgänger gesehen, dass sich Cabrio und Coupé in der ersten Hälfte des Lebenszyklus gut verkaufen und in der zweiten Hälfte deutlich  abfallen. Auch beim Vorgänger war das Gran Coupé die meistverkaufte Variante.

 BimmerToday.de: Genau wie das Basismodell von BMW verzichtet das B8 Gran Coupé auf 48-V-Technologie. Könnte das der letzte BMW ALPINA ohne Elektrifizierung sein?

Andreas Bovensiepen: Momentan ist in der Tat der Planstand, dass der B8 in dieser Form durchläuft. Aber natürlich wird BMW zunehmend Modelle mit 48 Volt elektrifizieren. Und wenn das Basismodell von BMW 48-V-Technologie an Bord hat, springen wir darauf selbstverständlich auf, um den Motor circa einen halben Liter sparsamer zu machen. Momentan startet als erster der BMW ALPINA D3 S mit 48 Volt und der Achtzylinder im XB7 wird folgen.

Andreas Bovensiepen: “Für unsere Kunden ist der Markt noch nicht reif”

BimmerToday.de: In unserem letzten Interview vor zwei Jahren haben wir bereits über rein elektrische BMW ALPINA Modelle gesprochen. Zu dem Zeitpunkt waren vor allem die Reichweiten ein Problem, aber auch die entsprechende sportliche Basis von BMW fehlte. Wie schätzen Sie heute die Lage ein?

Andreas Bovensiepen: Eigentlich vergleichbar, wenn wir unsere Kundenzielgruppe anschauen. Wir haben speziell in Europa Kunden, die im Jahr 30.000 bis 50.000 Kilometer fahren. Vor einem dreiviertel Jahr haben wir eine Kundenumfrage durchgeführt zum Thema Hybrid und BEV. Unsere Kunden verspüren aktuell keine Nachfrage nach batterieelektrischen Modellen. Das liegt auch an den hohen Kilometerleistungen: ALPINA Kunden wollen besonders in Deutschland schnell fahren und stark beschleunigen – dann sind die Reichweiten natürlich nach wie vor ein Thema. Unsere Kunden nutzen ihren BMW ALPINA in der Regel als Erstfahrzeug, als „Daily Dreamcar“. Würde man ein Achtzylinder Fahrverhalten auf ein BEV übertragen, dann lägen die Reichweiten vermutlich bei maximal 200 Kilometern. Vor allem wenn ich schnell fahren will, funktioniert das einfach nicht. Deswegen halten wir uns da bewusst zurück. Für unsere Kunden ist der Markt noch nicht reif.

BimmerToday.de: BMW bereitet ja bereits den Marktstart des i4 M50 vor, auch der iX M60 mit über 600 PS wurde bereits bestätigt. Könnten Sie sich beide Modelle nicht auch als ALPINA vorstellen?

Andreas Bovensiepen: Vorstellbar ist vieles. Aber wie gesagt: Unsere Ressourcen sind begrenzt. Wir wollen zunächst das bauen, was unsere Stammkunden auch haben wollen. Wir beobachten den Markt und beschäftigen uns mit den neuen Technologien, aber es ist nicht zu erwarten, dass kurzfristig ein BMW ALPINA als BEV Fahrzeug kommt. Das hängt auch davon ab, wie viele XB7 wir verkaufen. Wir haben mit der EU-Kommission unsere eigenen CO2-Grenzwerte ausgehandelt. Wenn der XB7 in Europa extrem gut läuft, kann es sein, dass wir mit unseren Zielwerten in Konflikt kommen. Dann müssen wir möglicherweise mittelfristig einen Hybrid oder ein batterieelektrisches Fahrzeug anbieten. Aber momentan sind wir da gut aufgestellt. Klar: Wir schauen uns die Nachfrage nach dem BMW i4 und dem iX3 genau an. Beim BMW iX sind wir uns nicht sicher, ob der sich wirklich an unsere Zielgruppe richtet.

 BimmerToday.de: Worauf die ALPINA Fans aber mit Sicherheit warten, ist ein Fahrzeug auf Basis des neuen BMW 4er G22. Wie lange müssen sich die Fans noch gedulden?

Andreas Bovensiepen: Grundsätzlich haben wir unser Modellangebot stärker in Richtung SUVs ausgebaut. In Abgrenzung zu M konzentrieren wir uns relativ stark auf Touring und Limousine. Coupé und Cabrio waren bei uns immer etwas schwächer in der Nachfrage. Wir werden natürlich wieder ein Coupé bringen – aber vermutlich eines mit zwei Türen mehr.

BimmerToday.de: Das Frontdesign mit der neuen Niere beim 4er hat in der Community für größere Diskussionen gesorgt und stößt nicht überall auf Begeisterung. Könnten Sie sich vorstellen, mit ALPINA optisch einen anderen Weg zu gehen?

Andreas Bovensiepen: Jeder BMW ALPINA trägt das BMW Emblem auf dem Kofferraumdeckel und auf der Motorhaube. Die BMW Niere ist ein ureigenes BMW Bauteil. Wenn wir da Änderungen vornehmen würden, müssten wir das ganz eng mit BMW abstimmen. Ich denke, die Diskussion ist vielleicht ein bisschen hitzig verlaufen. In der Realität sieht das Design deutlich besser aus als auf manchen Fotoaufnahmen. Es gibt ja auch eine Differenzierung zwischen BMW und M. Und in Amerika, wo die Autos oftmals vorn kein Kennzeichen haben, sieht die Front harmonisch aus. Ich denke, diese Debatte wird sich wieder legen. Natürlich muss ein Hersteller wie BMW  neue Wege gehen. Teilweise kommt ja auch die Kritik, dass sich Autos der verschiedenen Baureihen immer ähnlicher sehen. Und wenn der Hersteller stärker differenziert und den Coupé-Charakter mit einem deutlich anderen Außendesign stärkt, gibt es eben unterschiedliche Meinungen. Ich glaube, das ist auch die Herausforderung für die Designer: sich weiterentwickeln, aber in dem Maße, dass die Wiedererkennbarkeit da ist und die Kunden am Ende sagen: „Konnte ich mir vor einem Jahr nicht vorstellen, aber jetzt finde ich’s klasse.“

BimmerToday.de: Das heißt, auch ein BMW ALPINA B4 Gran Coupé wird sich weiter optisch an der BMW Basis orientieren?

Andreas Bovensiepen (grinst): Sofern wir dieses Fahrzeug auf den Markt bringen werden, würde das der Fall sein, ja.

BimmerToday: Vielen Dank für das Interview!

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