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BMW Alpina B8 Gran Coupé im Fahrbericht: Kunstwerk auf 21 Zoll

Ein verschlafener Morgen in der märchenhaften Hügellandschaft des Salzburger Lands. Ausgedehnte Waldstücke, Wiesen und Seen strahlen golden im Licht der ersten Sonnenstrahlen. Wir verlassen die Bundesstraße und folgen einem schmalen Weg hinab in den Talkessel des Nesslgrabens. Hier, zwischen den Dörfern Koppl und Plainfeld, schmiegt sich unauffällig der Salzburgring an den Berg – und in der Boxengasse der 1969 eröffneten Rennstrecke erwartet uns bereits das BMW Alpina B8 Gran Coupé.

Neben dem 2020 vorgestellten Alpina XB7 und dem Alpina B7 LCI, den wir 2019 auf dem Salzburgring erproben konnten, ist der B8 das dritte neue Modell an der Spitze des Luxussegments. Mancher Performance-Romantiker dürfte dort nun die ersatzlos gestrichenen Coupé- und Cabrio-Derivate des Alpina B6 Biturbo vermissen. Doch selbst in der sechsstelligen Welt der Manufaktur-Sportler ändern sich die Geschmäcker: Vier und mehr Türen liegen im Trend, Alltagstauglichkeit sowieso. Das gilt besonders für Amerika, dem avisierten Hauptmarkt für das B8 Gran Coupé – klar, dass ein Kleinserien-Hersteller wie Alpina da Prioritäten setzen muss.

In der Boxengasse reflektiert der Trendsetter in Alpina Blau metallic derweil die Morgensonne und streckt sich elegant über knapp 5,1 Meter Länge. Sicher, auf den ersten Blick entspricht der B8 weitgehend dem BMW 8er G16 – doch an ein paar entscheidenden Stellen hat das Designteam in Buchloe nachgeschärft. Neben der Frontschürze und den feingliedrigen Leichtmetallrädern im 21-Zoll-Format perfektioniert die Heckansicht den geradezu majestätischen Auftritt. Ein schwarzer Diffusoreinsatz, die deutlich ruhigere Linienführung der Heckschürze mit vier voluminösen, eingefassten Endrohren und eine Spoilerlippe lassen erahnen, was uns gleich erwartet.

 

Wir nehmen Platz auf dem Fahrersitz. Sollte sich jemand die Frage stellen: Für Großgewachsene bleibt unter der Dachpartie auch genug Raum mit einem Rennhelm – der ist nämlich auf dem Salzburgring seit kurzem Pflicht. Selbst im Alltag der Motorsport affineren Kunden dürften Rennstreckenbesuche im Alpina B8 allerdings eine Ausnahme bleiben. Immerhin bringt das Gran Coupé gut 2.175 Kilogramm auf die Waage und nähert sich damit bis auf fünf Kilo dem Niveau des langen Alpina B7. Doch Rundenzeiten am äußeren Ende des Grenzbereichs sind auch gar nicht Ziel der heutigen Ausfahrt. Stattdessen wollen wir die ungewöhnliche Topographie des Salzburgrings nutzen, um die Vielseitigkeit des Luxus-Sportlers zu ergründen: Mit ihren beiden Geraden, den lang gezogenen Kehren und fahrwerksfordernden Bodenwellen bietet die Strecke Autobahn im Schnelldurchlauf.

Alpina B8 Gran Coupé auf dem Salzburgring: Leichtfüßig ans Limit

Während wir noch das mit Alpina Edelleder Lavalina bezogene Lenkrad in die passende Position bringen, setzt sich das Pacecar vor uns in Bewegung. Nur Augenblicke später überlassen wir dem mächtigen 4,4-Liter-V8-Biturbo und seinen 621 PS die Definition von Zeit und Raum. Sport Plus: Energisch schnellt die digitale Nadel in Richtung Drehmomentplateau, volle 800 Newtonmeter zerren zwischen 2.000 und 5.000 Umdrehungen an den vier Rädern.

 

Nach 3,4 Sekunden fällt Tempo 100, die 200 km/h sind nach 11,6 Sekunden Vergangenheit. Der beachtlichen Belastung wird das aus Alpina B5 und Co. bekannte Triebwerk durch angepasste Ladeluftkühler mit gut 50 Prozent zusätzlicher Kühlfläche im Vergleich zum BMW gerecht. Der modifizierte Allradantrieb mit verstärkter Gelenkwelle und die angepasste Achtgang-Sport-Automatik von ZF tun ihr Übriges für die fulminante Leistungsentfaltung. Je nach Fahrmodus wechselt das gewohnt brillante Getriebe die Gänge in 100 Millisekunden – und je nach Zeitplan des Fahrers beschleunigt der B8 unbegrenzt bis auf 324 km/h.

Volle Verzögerung vor der ersten Schikane. Die Zangen der optionalen High-Performance Bremsanlage mit gelochten Compound-Scheiben beißen zu. Während BMW für das M8 Gran Coupé zusätzlich eine sündhaft teure Carbon-Keramik Bremse anbietet, verzichtet Alpina bewusst auf diese Option – schließlich müssten die Kunden Nachteile bei der Alltagstauglichkeit in Kauf nehmen.

Pulsierende Bremsleuchten, Runterschalten mit den Alu-Wippen, Einlenken mit der präzisen Sportlenkung – Vollgas. Hinterachsgelenkt und wankstabilisiert hastet das Alpina B8 Gran Coupé überraschend leichtfüßig durch die Emco-Kurve. Der heckbetonte Allradantrieb mit Hinterachs-Sperrdifferenzial gibt dabei sein bestes, die auf Präzision und Stabilität optimierten Pirelli P-Zero Reifen mit Alpina Kennung zu schonen – zumindest bis zur langen Nockstein-Kehre. Dort liegt es wenige Meter später vor allem am Fahrer und an der gewählten Linie, das beeindruckend hohe Gripniveau zum Kurvenausgang hin nicht überzustrapazieren.

Mit einer leichten Kurve, etwas Steigung und langen Bodenwellen tritt der Rundkurs den Rückweg in Richtung Ostschleife an. Unter sonorer, niemals überpräsenter Klangentfaltung dreht der Achtzylinder in Richtung Begrenzer. Zeit für klare Gedanken – und für einen Blick auf den Fahrerlebnisschalter. Wo andere Hersteller zusätzliche Performance-Ebenen und brachiale Drift-Modi unterbringen, konzentriert sich Alpina auf das Thema Fahrkomfort.

Der eigens programmierte Comfort+ Modus befielt dem Getriebe kaum spürbare Schaltvorgänge, weicht die adaptiven Dämpfer auf und erhöht die Lenkunterstützung. Während der Alpina B7 seine Passagiere mit einer Zweiachs-Luftfederung über die Autobahn flauscht, hält das B8 Gran Coupé den Fahrbahnkontakt mit Stahlfedern von Eibach. Verbindlich-komfortabel entfaltet der Viertürer sein Potenzial als überragendes Reiseauto und federt trotz der 21-Zöller kommod über Unebenheiten. Im luxuriös ausstaffierten Innenraum schaffen derweil die passgenauen Komfortsitze, allerlei meist serienmäßige Annehmlichkeiten und Fahrassistenten eine angenehme Lounge-Atmosphäre.

Nach den ersten schnellen Runden wird es Zeit für die Rückkehr in die Boxengasse – und für ein erstes Fazit. Mit dem neuen B8 findet und füllt Alpina einmal mehr eine Nische in der Welt der Luxus-Sportwagen. Statt das Konzept des viertürigen Reise-Coupés durch brettharte Sport-Komponenten künstlich zu verschärfen, setzt das Team aus Buchloe auf Langstreckenkomfort, Leistung und Höchstgeschwindigkeit. Dass sich der B8 zudem auch auf der Rennstrecke beeindruckend souverän schlägt, zeugt von der Perfektion im Detail, die die Manufaktur auszeichnet. Mit einem Grundpreis von 161.200 Euro ist das BMW Alpina B8 Gran Coupé ein Kunstwerk für Liebhaber: hinreißend schön und mitreißend schnell.

Fotos: Alpina
Text: Jonas Eling

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