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ALPINA Chef Andreas Bovensiepen im Interview

Am Nachmittag scheucht Andreas Bovensiepen seinen ALPINA B6 GT3 mit unerbittlicher Entschlossenheit über den Salzburgring. Aus dem Motorraum schreit der ungedämmte V8 und während wir immer noch damit beschäftigt sind, uns auf dem Beifahrersitz mit den enormen Fliehkräften der Nocksteinkurve zu arrangieren, setzt der ehemalige DTM-Rennfahrer und ALPINA-Geschäftsführer bereits zur dritten Runde an.

Die spontane Renntaxifahrt mit dem Chef des Buchloer Kleinserienherstellers folgt auf einen nicht minder spektakulären Vormittag voller Testfahrten mit den neuesten ALPINA Modellen, vom SUV-Coupé XD4 bis hin zum frisch überarbeiteten BMW ALPINA B7 LCI. Kaum zehn Minuten nachdem Bovensiepen den B6 GT3 nach ein paar weiteren schnellen Runden in der Boxengasse geparkt hat, treffen wir uns vor dem Fahrerlager zum Interview. Unsere Fragen beantwortet der 57-jährige wie erwartet: ohne jede Bedenkzeit, in schnellen, druckreif gesprochenen Sätzen.

BimmerToday.de: Der neue BMW ALPINA B7 LCI ist mehr als nur ein optisches Facelift, besonders im Motorraum hat sich einiges getan. Was genau?

Andreas Bovensiepen: Wir sehen hier die neueste Ausbaustufe des 4,4-Liter-V8-Biturbomotors. Unter anderem gibt es ein besonderes Novum: Wir haben die beiden motornahen Intercooler, also die Ladeluftkühler, verbunden. Man vermeidet auf diese Weise Druckpulsationen zwischen der linken und rechten Zylinderbank und das ist unter anderem dafür verantwortlich, dass das maximale Drehmoment von 800 Nm bereits bei 2.000 Umdrehungen anliegt. Bisher war das erst bei 3.000 Umdrehungen der Fall. Somit ist der Antrieb noch leistungsstärker, speziell im unteren Drehzahlbereich. Die Maximalleistung bleibt gleich, aber das Auto ist noch eindrucksvoller in der Beschleunigung und es macht natürlich einen Riesenspaß.

BimmerToday.de: Wie genau muss man sich bei ALPINA den Entwicklungsprozess vorstellen? Oft kommen Ihre Modelle kurz nach dem Marktstart der BMW-Basis. Ab welcher Phase ist ALPINA in die Entwicklung mit eingebunden?

Andreas Bovensiepen: Grundsätzlich sind wir schon sehr früh eingebunden, weil wir unsere Entwicklungsautos, die aus der BMW Vorserie stammen, schon mit ein paar Jahren Vorlauf bei BMW bestellen müssen. Richtig intensiv geht es etwa zwei Jahre vor dem Marktstart des BMW Modells los. Wir haben durch die freundschaftliche Verbindung mit BMW die Möglichkeit, sogenannte CAD-Daten vom Motorraum oder dem Unterboden schon vorab zu bekommen – keine Design-Daten – um dann zu sehen, wie viel Platz im Package für einen ALPINA Motor, die Kühlung und die Auspuffanlage vorhanden ist. Der Entwicklungsprozess dauert dann in der Tat ungefähr drei Jahre. Das heißt, wir kommen mit vielen Modellen ungefähr ein Jahr nach dem BMW Serienanlauf auf den Markt.

BimmerToday.de: Auch ALPINA muss neue Fahrzeuge nach WLTP zertifizieren lassen und jetzt auch für neue Modelle Ottopartikelfilter einbauen – eine Aufgabe, die in den letzten Monaten auch die großen Konzerne gefordert hat. Wie schaffen Sie das mit ihrem relativ kleinen Team in Buchloe?

Andreas Bovensiepen: Grundsätzlich ist es in der Tat eine dauerhafte und größere Herausforderung als früher, die Homologationsvorschriften zu erfüllen. Beispielsweise gibt es jetzt den sogenannten WLTP „Second Act“, den wir erfüllen müssen. Wir verwenden die BMW Basis-Homologation, die Airbags, Sitze, Gurte und so weiter beinhaltet. Darauf bauen wir dann auf und müssen dann zum Beispiel in Homologationen zum Abgasverhalten, der Bremsperformance und zu Fahrzeuggeräuschemissionen nachweisen, dass wir da die gesetzlichen Limits einhalten. Was früher drei Monate dauerte, hat zuletzt ca. sechs Monate gedauert. Wir arbeiten hart daran, diesen Prozess wieder zu verkürzen, um unseren Kunden kürzere Lieferzeiten zu ermöglichen.

 BimmerToday.de: In der Politik wird derzeit viel über alternative Antriebe gesprochen, über Elektroautos und Hybride. Wie stehen Sie bei ALPINA zum Thema Elektrifizierung?

 Andreas Bovensiepen: Grundsätzlich sind wir offen für neue Technologien. Bei der Elektromobilität sehen wir, dass der Lerneffekt in den letzten Jahren bei den großen Herstellern extrem hoch war und ist. Daher glauben wir, dass es besser ist, noch ein bisschen zu warten, bis die nächste Generation von Hybrid- und Elektroantrieben für uns noch eine bessere Basis bieten kann. Letztlich brauchen wir natürlich auch die zugrundeliegenden Basisprodukte, ein ALPINA Modell auf Basis des BMW i3 erwarten unsere Kunden zum Beispiel nicht. Wir müssen also warten, bis BMW die i Palette um sportlichere Varianten erweitert. Unsere Kunden wollen zügig beschleunigen und in Deutschland natürlich auch schnell fahren. Schnell fahren und Elektro schließt sich aus, weil die Batterie-Reichweiten dann mit circa 200 Kilometern den Kundenanforderungen nicht entsprechen. In extrem geschwindigkeitsbeschränkten Märkten ist das anders – in Kalifornien zum Beispiel verkauft sich Tesla ja sehr gut, auch aufgrund der Carpool Lanes.

“In ein paar Jahren ist durchaus auch mit einem ALPINA Hybrid zu rechnen.”

Was Hybride angeht, beobachten wir natürlich ebenfalls den Markt. BMW hat sich in den letzten Jahren auf Vierzylinder-Hybride fokussiert, unsere Kunden wollen jedoch lieber Sechszylinder-Motoren. BMW startet gerade wieder mit Sechszylindern im 7er und dem X5. Bei einem Hybrid Fahrzeug sind die Batterie und auch die Steuergeräte der Leistungselektronik im Package unterzubringen, das führt zu Einschränkungen im Kofferraumvolumen und zu kleineren Kraftstofftanks mit entsprechenden Einbußen bei der Reichweite. Ein Hybrid kann momentan kein Ersatz für einen Diesel sein. Aber klar, die Technologien werden besser und in ein paar Jahren ist durchaus auch mit einem ALPINA Hybrid zu rechnen.

BimmerToday.de: In der Presse wird immer wieder eine Rivalität zwischen BMW M und ALPINA heraufbeschworen. Wie läuft das Zusammenleben mit den Kollegen aus Garching in der Praxis?

Andreas Bovensiepen: Wir pflegen eine freundschaftliche Zusammenarbeit mit den Kollegen aus Garching, beispielsweise sind die M-Kollegen zuständig, unsere ALPINA Modelle in die BMW Systeme einzupflegen, damit sie in den Werken produziert werden können. Unsere Wettbewerber sind zum Beispiel AMG und auch Audi mit den RS Modellen, da unsere Touring Modelle sehr stark vom Markt nachgefragt werden. Gesunder Wettbewerb spornt die Firmen an, dass sie besser werden und das sehen wir als gut an. Die M ist „Pure Performance“ und wir sind eher luxuriöser aufgestellt, ähnlich wie Bentley. Wir haben Holz im Innenraum, wir haben sehr feines Leder und M steht eher für Carbon, für Aluminium, straffere Fahrwerke und so weiter. So hat jeder seine Kernzielgruppe. Wir setzen mehr auf Understatement. Unsere Fahrwerke sind deutlich weicher, für uns ist die Alltagstauglichkeit wichtiger. Ein weiteres Unterscheidungskriterium ist, dass wir ein hohes maximales Drehmoment bei niedriger Drehzahl anstreben. Das führt bei der Motorauslegung dann automatisch dazu, dass die Maximalleistung dann oftmals unterhalb der BMW M Modelle liegt.

BimmerToday.de: In den letzten Jahren ist ja auch die Auswahl an sportlichen Modellen bei BMW deutlich gestiegen. Werden damit die Nischen kleiner, die ALPINA besetzen kann?

Andreas Bovensiepen: Grundsätzlich ist es so, dass sich immer wieder mal Nischen schließen. Dafür gehen dann an anderer Stelle Nischen auf. Ein sehr gutes Beispiel ist der BMW ALPINA B5 Bi-Turbo, den wir als einzigen V8-Motor im 5er Touring anbieten. Den haben wir jetzt erstmals mit Allradantrieb – in den vorigen Generationen von ALPINA nicht – und dadurch haben wir jetzt natürlich einen perfekten Wettbewerber für den Audi RS6 oder das E-Klasse T-Modell von Mercedes. Das ist eine große Nische und in Zukunft wird es so sein, dass die Hersteller alle nur eine gewisse Bandbreite von Modellvarianten in Serie bringen können. Das heißt je mehr die großen Hersteller in Richtung Elektro und Hybrid gehen, werden auch wieder einzelne Verbrenner-Varianten rausfallen. Das öffnet uns natürlich auch wieder Nischen.

BimmerToday.de: Zum Thema Absatz: BMW M und Mercedes-AMG haben sich in den letzten Jahren deutlich gesteigert, ALPINA nicht. Wie wichtig ist Ihnen denn überhaupt eine Steigerung Ihrer Verkaufszahlen?

Andreas Bovensiepen: Der wichtigste Kaufgrund für ALPINA Kunden ist die Exklusivität. Die Kunden wollen ganz bewusst ein Auto, das nicht an jeder Ecke steht. Deswegen ist es uns Recht, wenn wir immer möglichst ein Auto weniger verkaufen, als die Kundennachfrage verlangt, sodass die Begehrlichkeit hoch bleibt und wir nicht über Rabatte verkaufen müssen. Aber klar: letztlich müssen auch wir wachsen. Die Entwicklungskosten steigen, siehe WLTP, Elektromobilität und so weiter. Ein gesundes Wachstum wollen wir haben, aber es hängt natürlich auch immer vom Modellportfolio ab. Wir sind nach wie vor sehr stark beim 3er und 4er. Der 3er ist jetzt ausgelaufen, der 4er ist ebenfalls im reifen Lebenszyklus. Dann gehen unsere Stückzahlen ein bisschen runter und wenn dann 3er und 4er wieder kommen, steigen sie wieder an. In der Tendenz haben wir über die Jahre betrachtet ein Wachstum, aber wir haben nicht das Credo, jedes Jahr um fünf, sieben oder zehn Prozent wachsen zu müssen.

 BimmerToday.de: Bei BMW gibt es interessante Neuheiten wie den neuen 8er, den X7 oder auch den neuen Z4. Können Sie schon einen Ausblick geben, was wir in Zukunft von ALPINA erwarten dürfen?

Andreas Bovensiepen: Grundsätzlich müssen wir beobachten, wie bestimmte Fahrzeugsegmente im Markt nachgefragt werden. Wir sehen auch, dass der SUV-Trend immer noch stärker wird. Wir entwickeln derzeit ein Modell auf Basis des X7. Um über weitere Details zu sprechen, ist es aber noch zu früh. Der Z4 ist ein ganz tolles Auto, aber die Nische ist klein – das sind einfach wenige Märkte. England ist scharf auf so ein Auto, Deutschland ist scharf, aber viele Märkte können mit dem Z4 nicht so viel anfangen. Deswegen hat ein Roadster Konzept bei uns jetzt nicht erste Priorität. Aber „by my heart“ würde ich gerne so ein Auto machen.

BimmerToday.de: Vielen Dank für das Interview.

Interview: Jonas Eling
Fotos: Alpina

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