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MINI Deutschland-Chef Christian Ach im Interview

Noch vor wenigen Jahren schien ein Absatz von 100.000 Einheiten pro Jahr für die Marke MINI außerhalb jeder vernünftigen Reichweite. Im Jahr 2018 sieht die Sache grundlegend anders aus, denn die BMW-Tochter hat sich längst zu einem Anbieter entwickelt, der es nicht nur bei den Stückzahlen mit vielen anderen Marken aufnehmen kann. Über 370.000 Einheiten wurden 2017 weltweit verkauft, in Deutschland liegt MINI fast 47.000 verkauften Fahrzeugen noch vor deutlich breiter aufgestellten Herstellern wie Volvo.

Welche Pläne BMW in den nächsten Jahren mit MINI hat, erklärt MINI Deutschland-Chef Christian Ach im folgenden Interview. Die 12 Fragen behandeln die Entwicklung der Marke in den letzten Jahren, die Veränderungen in der Modellpalette und die zunehmende Elektrifizierung in den nächsten Jahren.

Herr Ach, seit 2010 leiten Sie die Geschicke der Marke MINI in Deutschland. Ist die Marke MINI noch dieselbe wie vor 8 Jahren?
Ja und Nein. Veränderung und moderne Inspiration gehören zur DNA der Marke, aber der Kern ist der gleiche. Schon 1959 hat Alec Issigonis den Ur-Mini auf Basis des Credos entwickelt, das bis heute Bestand hat: „Creative use of space“. MINI ist nicht nur ein Auto, sondern auch ein Lebensgefühl. Seit der Markteinführung 2000 leitet uns dieser zentrale Gedanke. Wir sind davon überzeugt, dass sich eine Marke wandeln muss, um relevant zu bleiben. Das sieht man auch an der Art, wie wir als Marke auftreten. Seit ich 2010 diesen Job übernommen habe, ist MINI vielfältiger und erwachsener geworden, wobei allerdings der Fahrspaß nach wie vor im Mittelpunkt steht. Von Performance mit der Submarke John Cooper Works, über Offroad mit ALL4 bis zu Elektromobilität und zu unseren Markenthemen wie z.B. MINI LIVING und MINI FASHION belegen wir viele Felder.

Blicken wir mal nur auf das letzte Jahr zurück. MINI konnte wieder ein Rekordjahr verzeichnen – knapp 47.000 MINIs wurden 2017 in Deutschland verkauft.
Wir haben fünf aktuelle und starke Modelle im Markt. Zusammen bilden sie ein attraktives Portfolio, das für eine Vielzahl von Menschen relevant ist. Alleine in 2017 haben wir über fünf Auszeichnungen und Awards wie den Wertmeister, den Best Cars Award von auto motor und sport in der Kategorie Importeursklasse oder die Auto Trophy der Auto Zeitung erhalten, die unsere Produkte auszeichnen. Mit dem MINI Clubman und Countryman stoßen wir zudem in das Kompakt­wagensegment vor. Das erlaubt vielen MINI Fans, länger bei der Marke zu bleiben, zum Beispiel dann, wenn Kinder Platz beanspruchen und Geräumigkeit und Funktionalität als Hauptbedürfnisse in den Vordergrund rücken. Auch für Firmenfuhrparks sind die beiden Modelle zunehmend attraktiv. Ein Drittel der MINI Verkäufe findet in Deutschland inzwischen jenseits des Kleinwagensegments statt.

Ein Zuwachs im Absatz – und dabei haben Sie zwei Modelle weniger im Angebot als früher.
Wir haben recht schnell gemerkt, dass weniger Modelle nicht auch weniger Kunden bedeuten. Im Gegenteil: Wir verkaufen heute mehr MINI Cabrios als früher MINI Cabrios und MINI Roadster zusammen. Das liegt zum einen an der starken Produktsubstanz des aktuellen Cabrios, aber natürlich auch daran, dass wir das Modell trennschärfer und gezielter positio­nieren können. Jedes der fünf Modelle hat einen eigenen Charakter und seine Lebens­welt – aber alle gehören sehr klar zur MINI Familie.

Das MINI Marketing hat ja schon immer den Ruf, aus wenig Budget viel zu machen. Konnten Sie diesem Ruf 2017 wieder gerecht werden?
Die MINI John Cooper Works Kampagne kam sehr gut an. Wir haben die sportliche Sympathie des MINI aus der Vergangenheit in die Gegenwart transportiert. Für den Kampagnen-Film haben wir sogar einen Filmpreis von Eurobest gewonnen. Und unser Facebook Chatbot wird stark in Anspruch genommen: der durchschnittliche User hat sich über vier Minuten damit beschäftigt. Im Sommer haben wir eine zugleich emotionale und nutzenorientierte Kampagne zum MINI Clubman gestartet, die zum ersten Mal die Familie als Zielgruppe in den Mittelpunkt stellte. In den sozialen Netzwerken gelingt es uns sehr gut, zusammen mit unseren Fans die Marke MINI zu gestalten. Allen voran ging hier das Community-Event #minithrills an der Rennstrecke Bilster Berg, an dem tausende MINI Liebhaber auch aus der Ferne teilhaben konnten.

Starke Produkte und gute Werbung sind das eine, aber ihre Zuständigkeit ist vor allem der Vertrieb. Wie konnten Sie die ambitionierten Ziele erfüllen und das Ergebnis des letzten Jahres nochmal übertreffen?
Wir liegen mit knapp 47.000 verkauften Fahrzeugen sechs Prozent über Vorjahr. Wir sehen einen wichtigen Erfolgsfaktor in der optimalen Verknüpfung von Handel, Produktmanagement und Marketing. Die MINI One Blackyard Edition ist ein gutes Beispiel dafür: Der Handel hat uns signalisiert, dass wir eine Einstiegsvariante für junge MINI Fans brauchen, die neu zur Marke kommen wollen. Unser nationales Produktmanagement hat ein entsprechendes Angebot kreiert, das das Marketing in den Medien richtig positioniert hat. Neben einer sehr starken Online- und Social-Media-Kommunikation haben wir hier als first-mover die Edgar-Stelen genutzt, die es ab Frühjahr in vielen Hotspots der deutschen Großstädte gab, das heißt. zum ersten Mal gibt es Bewegtbild-Werbung auch in Kneipen und Lokalen. Bei uns greift alles ineinander. Am Schluss stehen ein außergewöhnlicher Erfolg und ein Beweis für unsere Schlagkraft und Reaktionsschnelle. Interessant auch: Die Kommunikation zu den neuen Einstiegsmodellen hat uns insgesamt geholfen, nicht nur bei den beworbenen Einsteigermodellen.

Wie hat sich die aktuelle Absatzkrise des Diesels bei MINI bemerkbar gemacht?
MINI ist eine urbane Marke, die hauptsächlich im Kleinwagen-Segment vertreten ist. Unser Motorenmix ist daher traditionell stark auf Benzinmotoren ausgelegt. Daher trifft uns das zögerliche Kaufverhalten beim Diesel kaum.

Die Marke MINI ist auch bei vielen Händlern beliebt. Haben die Händler das Potential der Marke erkannt?
Für viele Händler ist der Vertrieb der Marke MINI von einem Nebengeschäft zu einem profitablen Gewinn­bringer geworden. Das ist wichtig, nur mit starken Partnern im Vertrieb können wir erfolgreich sein. Ich gebe zu, wir verlangen auch einiges vom Handel, es ist nicht immer einfach für unsere Partner. Ab einer gewissen Größe fordern wir zum Beispiel einen ausgewiesenen MINI Markenmanager und MINI Verkäufer, die MINI nicht mehr nur nebenbei zum BMW Geschäft machen. Aber die Händler merken auch, dass sie mit einem professionellen und von der Marke BMW losgelösten MINI Geschäft erfolgreich Autos verkaufen können und gute Margen erzielen. Die Marke MINI ist eine sehr emotionale Marke. Wie wir lieben unsere Händler und unsere Verkäufer die Marke MINI. Das ist der Schlüssel der Zusammenarbeit und unseres Erfolgs.

Auf was kann sich der Handel in Zukunft einstellen?
Der Handel bleibt das zentrale Gesicht zum Kunden. Das heißt Dinge, die die Marke bewegen, müssen auch beim Händler stattfinden. Letztes Jahr haben wir auf der IAA in Frankfurt das rein elektrische MINI Electric Concept vorgestellt. Dieses Jahr haben wir alle MINI Plug-In-Hybride verkauft, die wir produktionsseitig bekommen konnten. Das Thema Elektromobilität wird auch bei den MINI-Händlern stattfinden. Wir möchten bei allen Händlern Ladesäulen für Kunden, aber auch Nichtkunden anbieten. Damit kann sich der klassische Handel in Zukunft immer mehr zum Mobilitätshub wandeln. Insgesamt wollen wir unsere Angebote einfach und zugänglich gestalten.

Was heißt das konkret?
Wir befinden uns in einem Übergang von älteren, klassischen Automobilkunden zu jüngeren Generationen, die es gewohnt sind, Services online zu bestellen und zu bezahlen. Unsere neuen Aftersales-Angebote wie z.B. MINI Inclusive gehen auf diese sich verändernden Konsummuster der jüngeren Generation ein. Flat-Rate-Leistungen kennen diese von Netflix oder Spotify. Damit binden wir Kunden an die Marke und an den Handel.

Sie haben es schon ein paar Mal erwähnt: MINI wird jetzt auch elektrisch?
Eigentlich haben wir schon 2008 mit der MINI E Testflotte losgelegt. Elektromobilität passt hervorragend zu der urbanen Marke MINI.

Den Automobilherstellern wird vorgeworfen, sie tun nicht genug für die urbane Mobilität. Ist MINI nicht eine prädestinierte Marke, um das Problem anzugehen?
In unserer Talkreihe „The Sooner Now“ setzen wir uns genau mit diesen Fragen auseinander. Das MINI Credo „Creative Use of Space“ lässt sich auch vortrefflich auf Fragen des urbanen Zusammenlebens anwenden: Wie können und wollen wir in Zukunft in unseren Städten wohnen? Wie lösen die Städte das Problem des enger werdenden Wohnraums? Wie können sich die Bewohner und Berufsgruppen engagieren? Erst kürzlich wurde unter dem Namen MINI Living ein geplanter Wohnkomplex in Shanghai vorgestellt. Mit der Dialogreihe „The Sooner Now“, mit der wir in 2016 und 2017 in sechs deutschen Großstädten zu Gast waren und lokale Redner gewinnen konnten, möchten wir inspirieren und einen Diskurs anregen, der individuell auf die Herausforderungen und Chancen des städtischen Zusammen­lebens unserer Regionen in Deutschland passt. Mit dem 2019 kommenden vollelektrischen MINI bieten wir ein attraktives Automobil für Metropolen an, das lokal emissionsfrei unterwegs ist. Und auch beim Thema Carsharing ist MINI stark vertreten. Über 60% der deutschen DriveNow Flottenfahrzeuge sind MINI.

Welche Ziele haben Sie sich für die Marke gesetzt – kurzfristig und langfristig?
Wir differenzieren uns durch unsere Geschichte und unsere Rennsportgene stark vom Wettbewerb. Daher sehe ich vor allem im renditestarken Performance-Sektor mit unserer Submarke John Cooper Works Potential. Zudem ist uns ein guter Start im hart umkämpften Kompaktwagensegment mit dem MINI Clubman und dem Countryman gelungen. Wir haben nun neben den emotionalen Argumenten noch mehr rationale Kaufkriterien, die wir bedienen können. Das freut die Marken-Fans, da wir auf deren wachsende Bedürfnisse eingehen und weniger Kompromisse verlangen. Auch beim Thema Gebrauchtwagen sehe ich weiteres Potential. Erst im letzten Jahr haben wir unser Gebrauchtwagenprogramm MINI Next neu aufgelegt. Ich bin mir sicher, wir ernten 2018 die Früchte dieser Arbeit. Wir starten in das neue Jahr mit einer gut aufgestellten Produktpalette und einem sehr interessanten MINI Countryman als Plug-In-Hybrid. Ich bin zuversichtlich, dass wir das Volumen aus 2017 wieder übertreffen werden.

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