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BMW M235i USA Roadtrip Teil Fünf: Tomaten und Motorsport

Auf einem Roadtrip entlang der wunderschönen US-Westküste erkunden wir in neun Tagen die Auto-Nation Amerika. Unser wertvoller Begleiter: ein BMW M235i Coupé, das endlose Highway-Kilometer wie im Flug vergehen lässt und die kurvigen Küstenstraßen sein Jagdrevier nennt. Gestern haben wir auf unserer vierten Etappe das erbitterte Rennen gegen die Zeit und den leeren Tank knapp für uns entschieden. Heute sind wir bereit für echten amerikanischen Motorsport – auf dem Coos Bay Speedway, zwischen rabiaten Schlamm-Rennen und selbst angebauten Tomaten…

„Welcome to the Speedway“, steht in roten Lettern verheißungsvoll auf dem Schild, das kurz hinter Coos Bay auf dem Highway unser Interesse weckt. Anhalten oder weiterfahren? Keine leichte Entscheidung, wenn man gerade eine frisch gebackene Zimtschnecke im Kuchenformat zum Frühstück hatte. Hanna ist skeptisch. „Meinst du, die sind begeistert, wenn deutsche Touristen mit einem weißen BMW auf ihrer Rennstrecke auftauchen?“. Mit deutlich verlangsamtem Tempo rollen wir weiter ins Landesinnere über den Highway , der uns heute bis nach Jacksonville bringen soll. Schweigen im Auto, überlegen, dann schwungvolles Wenden an der nächsten Kreuzung. „Wenn wir jetzt einfach weiterfahren, verpassen wir etwas!“. Mein zimtschneckenträges Bauchgefühl hat entschieden.

Wir beschließen, zunächst einmal einen vorsichtigen Blick auf die private Rennstrecke zu werfen und dann freundlich um eine Fotoerlaubnis zu bitten. „Das sind doch auch Autofreaks, die werden uns schon nicht wegjagen.“ Mit wachsender Zuversicht rollen wir die steinige Einfahrt zum Speedway entlang. Hinter einer kleinen Mauer lässt sich ein ovaler Kurs aus geharktem Sand erkennen, daneben ein Dragstrip mit schwarzen Reifenspuren von absurder Länge. Wir parken den BMW neben dem Tickethäuschen und steigen aus. Am Schalter steht eine ältere Dame und blickt uns zunächst mit einer gewissen Skepsis entgegen. Wir erzählen von unserem Roadtrip-Projekt und dass wir aus Deutschland kommen. Mit einem Schlag erhellen sich ihre Gesichtszüge und sie gibt eine Antwort, die zumindest ich hier unten im tiefsten Oregon ganz und gar nicht erwartet hätte: „Hey, ich bin auch deutsch!“. Als Kind sei sie mit ihrer Familie nach Amerika ausgewandert – und ihrem Mann gehöre die Rennstrecke. „Quatscht doch einfach mal mit Chuck, der steht da oben an der Tribüne!”

BMW M235i xDrive: Herausforderung auf dem Dragstrip

Gesagt, getan. Mit festem Händedruck heißt uns der weißbärtige Besitzer auf dem Speedway willkommen. Am Abend soll auf dem Schlamm-Oval ein großes Rennen stattfinden und im Fahrerlager, einem staubigen Platz hinter der Strecke, bereiten schon die ersten Teams ihre Strandbuggy-ähnlichen Rennwagen vor. Begeistert erzählt Chuck von der lokalen Motorsport-Kultur: „Hier kommen jedes Wochenende ungefähr 1.000 Zuschauer. Und nächste Woche haben wir ein richtig großes Event – mit 10.000 Dollar Preisgeld!“. Für den M235i hat unser Gastgeber freilich keinen Blick übrig. Hier auf dem Speedway leben sie den amerikanischen Autobau mit großvolumigen Achtzylindern und respekteinflößenden PS-Zahlen. „Kommt mit, ich hab was für euch!“. Chuck verschwindet kurz in einem kleinen Gewächshaus am oberen Ende der Tribüne und kommt mit einer Handvoll prall-roter Tomaten zurück. „Habt ihr schon mal eine echte Tomate aus Oregon probiert?“.

Wir sind völlig überrascht von der vorbehaltlosen Freundlichkeit des Rennstreckenchefs und holen uns zum Abschied noch die Erlaubnis, auf dem rund 200 Meter langen Dragstrip ein kleines Beschleunigungsvideo zu drehen. Doch als wir gerade den BMW M235i an der gummigeschwärzten Startlinie positionieren wollen, kommt Chuck plötzlich mit seinem silbernen Chevrolet Silverado Pick-up herangerollt und lässt das Seitenfenster herunter. „Sorry guys, aber niemand fährt auf meinem Strip ohne Gegner!“. Augenblicklich fegt das Adrenalin die morgendliche Zimtschneckenträgheit hinweg. Hat der Mann uns gerade wirklich zu einem Dragrace herausgefordert? Lachend postiert sich Hanna zum Filmen hinter dem ungleichen Duo. Ich steige ein.

Wie funktionierte gleich die Sache mit der Launch Control? Egal! Sport-Plus Modus aktivieren, Wählhebel nach links, runterzählen. Drei, ich schaue rüber zu Chuck, der mich von oben angrinst. Zwei, Lenkrad fest umfassen, Finger an die Schaltwippen. Eins, Konzentration – Feuer. Die vier Räder krallen sich eisern in den Gummiabrieb tausender Dragrace-Duelle und befördern den M235i xDrive mit ungeahntem Nachdruck die Bahn hinunter. Die Nadel schießt den Drehzahlmesser entlang; Schalten. Im Augenwinkel sehe ich, wie sich die echten Tomaten aus Oregon physikergeben an der Lehne des Beifahrersitzes sammeln. Auch nach fünf Tagen überrascht die schonungslose Macht von 326 PS und xDrive – und vermutlich in fünf Jahren genauso. Nach Sekunden fliegt der BMW über die Ziellinie. Und Chuck? Mit einigem Respektabstand, tiefschwarze Dieselwolken hinter sich lassend, donnert der Silverado hinter mir her. Wir beide wenden am Ende der Bahn, und während Chuck sich sogleich in Richtung Fahrerlager verzieht, trete ich den triumphalen Rückweg an.


Der Rennstrecken-Chef fordert uns zum Duell heraus – “just for fun”, natürlich…

Sicher, unser Gastgeber wusste von Anfang an, dass sein Chevrolet schon allein durch den gewaltigen Gewichtsunterschied schlechte Karten hat. Und doch bleibt das unbeschreibliche Gefühl, gerade ein Rennen auf einem echten amerikanischen Dragstrip gewonnen zu haben. Hanna erwartet mich grinsend am Startpunkt. Wenn schon, denn schon. Ich drücke im Leerlauf aufs Gas und die warme Abgasanlage antwortet mit dem überschwänglichen Knallen einer wild gewordenen Popcorn-Maschine. Wir hätten uns gerne persönlich von Chuck verabschiedet, doch der Rennstrecken-Patriarch bleibt samt seines wilden Chevrolets verschwunden. Was für ein Erlebnis. „Gute Sache, dass wir heute morgen zurückgefahren sind!“ – darin sind wir uns beide einig.


Wenn schon, denn schon: Abgasanlage trifft Popcorn-Maschine – herrlich

Wir folgen weiterhin dem Highway ins trockene, von Waldbränden zerfressene Hinterland und machen Pause im verschlafenen Myrtle Point, wo gerade das Harvest Festival läuft. Mit tief ins Gesicht gezogener Hutkrempe döst dort der Sheriff in seinem Ford Crown Victoria, eine Straßenecke von den feiernden Dorfbewohnern entfernt. Die Feuerwehr veranstaltet vor ihrer Wache ein Barbecue, eine christliche Rockband singt zu laut. Doch das eigentliche Highlight der Veranstaltung ist unbestritten die Ausstellung historischer und unfassbar getunter Straßenkreuzer, die lediglich noch mit dem Vogelscheuchen-Contest an der Kirche konkurriert.

Willkommen auf dem Lande, dort, wo Amerika noch frei von Priussen und Elektro-Teslas seine Liebe zum Automobil zelebriert – ganz gleich ob in Form von Drag-Races auf dem Coos Bay Speedway, oder mit liebevoll gehegten Klassikern in Myrtle Point. „Die Besitzer haben kein Geld, dieser Bad Boy hat alles genommen“, heißt es auf einem Schild, hinter dem ein Ford T-Modell mit bitterbösem Blick, über 1.000 PS und einem aus verchromten Ketten geschweißten Lenkrad lauert.

Wir lassen das Dorf mit seinen benzinverrückten Bewohnern  hinter uns und reisen weiter in Richtung Jacksonville. Trockene Wiesen und Nadelwälder säumen den Highway, es herrscht höchste Waldbrand-Warnstufe. Links und rechts der Straße zeugen ab und an verkohlte Hügel von der Macht der Natur. Schon am Morgen in North Bend haben wir uns im Internet über Feuer in der Umgebung informiert. Durch die anhaltende Trockenheit sind die Waldbrände in diesem Jahr größer und heftiger als je zuvor – ein Erlebnis, auf das wir während unseres Roadtrips gerne verzichten möchten.

 

Bevor wir am frühen Abend unser Hotel erreichen, kehren wir noch am Rande der Interstate 5 im Café „Heaven on Earth“ ein, um die laut Chuck „besten Zimtschnecken in ganz Oregon“ zu probieren – nicht, dass wir nach unserem zuckrigen Frühstück am Morgen sonderlich Lust auf noch mehr süßes Gebäck hätten, doch wir haben dem Mann an der Rennstrecke das Versprechen gegeben, uns diese Spezialität nicht entgehen zu lassen. Im Hotel zeigt mir Hanna das Video unseres morgendlichen Dragraces. Als wir kurz später das Gepäck aus dem Kofferraum holen, streichle ich kurz über den Kotflügel des M235i. „Jetzt mal nicht übertreiben“, sagt Hanna und grinst etwas spöttisch. Mist, ertappt.

Text: Jonas Eling
Fotos: Hanna Coco

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